Age Diversity ist für Unternehmen das Thema der Stunde, wenn es um HR geht. Die Deutsche Bahn macht vor, wie Zielgruppen jenseits der 50 oder 60 Jahre zu begeistern sind. Und welche Vorteile das mit sich bringt.
Bei den Queb HR Innovation Awards 2024, hat die Recruitingstrategie AgeDiversity@Work der DB den Award in der Kategorie „Unternehmen“ gewonnen. Und das ganz zu Recht, wie wir meinen. Immerhin ist es längst Zeit, dass sich beim Thema Altersdiskriminierung etwas ändert.
Wir wünschen Euch jetzt viel Spaß und Inspiration beim Interview mit den drei Projektverantwortlichen der Deutschen Bahn!
Stellt Euch bitte kurz vor und beschreibe die Idee Eures Projektes!
Wir sind Teil des Teams Diversity Recruiting bei der DB in der Personalgewinnung: Franziska Manck, Jana Golubov und Jana Petersen – und darüber hinaus weitere Kolleg:innen aus dem operativen Recruiting, Personalmarketing, HR Diversity Management und Analytics Team.
Die Einstellungen von Kandidat:innen im Alter von 50+ sind im Vergleich zum Marktpotenzial gering. Das ist unsere Chance, neue Kandidat:innen auf dem Arbeitsmarkt dieser Zielgruppe für die Deutsche Bahn zu gewinnen. Mit unserer AgeDiversity@Work Recruitingstrategie begeistern wir noch mehr Kandidat:innen im Alter von 50+ und 63+ für die DB sowie auch Menschen in der (Früh-) Rente. Weiterhin wollen wir das Team der DB für Altersdiskriminierung sensibilisieren und sie dadurch minimieren. Warum 63 +? Weil viele Menschen mit 63+ Jahren in die Rente gehen und wir sie für einen befristeten Job in Teilzeit gewinnen möchten und in der Rente weiter aktiv am Erwerbsleben bei uns teilzuhaben und ihre Expertise einzubringen.
Wann und wodurch ist Euch klar geworden, dass es beim Thema Age Diversity Handlungsbedarf gibt?
Durch den Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten können Menschen im Rentenalter ab 2023 weiterarbeiten und eine ungekürzte Rente beziehen, unabhängig von der Höhe des Einkommens. Hier sehen wir eine große Chance, Menschen für die DB zu gewinnen. In diesem Zusammenhang steht auch die Altersdiskriminierung, die in jedem Alter passieren kann. Denn die Wahrscheinlichkeit, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, sinkt ab dem Alter von 50 Jahren. Mit Blick auf die Zahlen sehen wir, dass sich die Erwerbstätigenquote der 55- bis 65-Jährigen seit 2000 verdoppelt hat (Quelle: BDA – Die Arbeitgeber (2024): Beschäftigung älterer weiter ausbauen. Positionspapier). Zudem sind 2023 22 Mio. Menschen (25 %) in Deutschland zwischen 50 und 67 Jahre alt, 2030 sind es voraussichtlich noch immer 20 Mio. Menschen (24 %).
Die Menschen wünschen sich neue Jobs, neue Herausforderungen und einen Neustart. Wer profitiert von Eurer Lösung und warum?
Von unserer AgeDiversity@Work Recruitingstrategie profitieren vor allem Menschen, die über 50 Jahre alt sind und die, die in der (Früh-) Rente sind. Wir tragen dazu bei, dass sie sich selbst verwirklichen und neue berufliche Wege gehen, wenn sie das möchten. Auch profitieren Menschen davon, die sich für einen Quereinstieg interessieren und noch mal etwas Neues erlernen möchten.
Letztendlich profitiert der gesamte Arbeitsmarkt davon, KMUs und große Unternehmen. Die nutzen diese „stille Reserve“ vom Arbeitsmarkt und damit das Potenzial für mehr Fachkräfte.
Wie genau funktioniert Eure Lösung?
Die Besetzungen von Menschen im Alter von 50+ und 63+ realisieren wir in den folgenden fünf Säulen mit unterschiedlichen Maßnahmen: Mindsetchange & Awareness, Events & Kooperationen, Personalmarketing, operatives Recruiting und Monitoring.
Beim Thema Mindset geht es vor allem darum, dass wir Führungskräfte, Recruiter:innen und HR Business Partner:innen zu den Themen sensibilisieren. Wir bieten Awareness- und Learning-Sessions an und klären über das Thema der Altersdiskriminierung im Einstellungsprozess auf. Wir zeigen, wie genau es gelingt, Menschen in der (Früh-) Rente einzustellen. Mit unseren Events & Kooperationen gehen wir in den Austausch mit der Zielgruppe und beraten und begeistern sie für die DB. Im Personalmarketing setzen wir Marketingkampagnen um, um unsere Zielgruppe zu erreichen und achten darauf, dass unsere Bilderwelten die richtige Sprache sprechen. Das bedeutet, dass auf unseren Bildern, in Stellenanzeigen, auf Landingpages etc. Menschen in jedem Alter abgebildet werden, sodass sich alle angesprochen fühlen. Im operativen Recruiting sind unsere Produkte unter anderem Leitfäden, in denen nachgelesen werden kann, was Altersdiskriminierung ist und was bei der Einstellung von (Früh-) Rentner:innen zu beachten ist. Zusätzlich ist unser Ziel, konkrete Filtermöglichkeiten anzubieten, sodass sie nicht lange nach den für sie passenden Jobs suchen müssen. Wir messen uns an unseren Erfolgen durch ein regelmäßiges Age Diversity Recruiting Dashboard. Dadurch können wir erkennen, wo wir im Recruitingprozess Menschen aus der Altersgruppe verlieren und wo genau wir ansetzen müssen.
Ihr setzt bei der AgeDiversity@Work Strategie unter anderem auf den Aufbau eines „Age Diversity Role Model Pools“. Wie können wir uns vorstellen?
Wir glauben an das große Potenzial der Inspiration, dass Menschen sich von anderen Vorbildern inspirieren lassen. Deshalb zeigen wir auf unseren Landingpages, in unseren Kampagnen oder Stellenanzeigen Menschen, die einen Neustart bei der DB gemacht haben oder in der (Früh-) Rente bei der DB weiterarbeiten. Darunter zum Beispiel Christian, der mit 58 Jahren im Bordservice gestartet ist und vorher als Model gearbeitet hat. Oder Marianne, die als Lean Expertin arbeitet – sie ist 70 Jahre alt und vor 5 Jahren in ihrer Frührente bei der DB eingestiegen.
Was tut die DB sonst noch dafür, um das Thema Altersdiversität voranzutreiben?
Wir haben eine Landingpage speziell zum Thema Age-Diversity und für Menschen im Alter 50+ erstellt: db.jobs/agediversity. Hier kann die Zielgruppe einen Eindruck gewinnen, wie die Arbeit bei der DB aussieht und auch, dass bereits etliche Menschen in unterschiedlichen Altersklassen bei uns arbeiten. Darüber hinaus stellen wir unterschiedliche Beschäftigungsmöglichkeiten, etwa für Quereinsteiger:innen, für Neustarter:innen oder (Früh-) Renter:innen vor und bieten passende Stellenausschreibungen für z.B. Verkehrs- und Logistikberufe, Handels- und serviceorientierte Berufe, IT, serviceorientierte Berufe etc. an.
Weiterhin arbeiten wir in einer Kooperation mit dem ddn (Das Demographie Netzwerk) zusammen.
Und für 2024 steht darüber hinaus auch noch die Umsetzung unserer geplanten Imagekampagne an, um noch mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren.
Wie sieht es mit den Erfolgen aus? Könnt Ihr Eure gesteckten Ziele erreichen?
Durch quartalsweises Monitoring messen wir einzelne Diversity Dimensionen. In unserem Monitoring bilden wir den gesamten Recruitingprozess ab. Unser Highlight: Wir stellen 12,1 % Menschen 50+ bei der Deutschen Bahn ein. Innerhalb der Dimensionen erfolgt ein Vergleich mit den Zahlen zum Arbeitsmarktpotential und DB-Mitarbeitenden-Bestand.
Was sind die Pläne der Deutschen Bahn für dieses Thema in der Zukunft?
Der Arbeitsmarkt ist in der aktuellen Situation herausfordernd und wird sich in den kommenden Jahren auch weiter anspannen. Unsere Antwort darauf ist „Diversityrecruiting“ als der Gamechanger im Arbeitskräftemangel. Denn mit Vielfalt gewinnen wir Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit! Wir schöpfen alle Arbeitsmarktpotenziale aus und begeistern vielfältige Menschen für die Deutsche Bahn.
Es gibt bisher keine große Imagekampagne für diese Zielgruppe – das ändern wir in der Zukunft und sind hier Vorreiter im Personalmarketing und Recruiting.
Unser Ziel ist es in allen Dimensionen von Diversity noch vielfältigere Einstellungen zu generieren und damit dazu beizutragen unsere Vakanzen in allen Zielgruppen (Schüler:innen, Graduates, Fachkräfte, Akademiker:innen, Executives) zu besetzen. Vor allem das Potenzial der Menschen im Alter 50+ und 63+ wollen wir weiter ausschöpfen und auf die DB als attraktive Arbeitgeberin aufmerksam machen. Weiterhin ist es unser Anliegen, Awareness und Mindset-Sessions anzubieten, um der Altersdiskriminierung entgegenzuwirken. Denn das Alter ist unsere Superpower!
Vielen Dank, dass Ihr Eure Erfahrungen aus dem Projekt mit uns geteilt habt! Wir hoffen, es gibt viele Nachahmer, die ähnliche Wege zur Bekämpfung von Altersdiskriminierung einschlagen!
Dieses Interview führte Dominik Bernauer
Dominik Bernauer ist Berater, Autor, Blogger und Ghostwriter. Sein Themenspektrum erstreckt sich über diverse Bereiche wie, Employer Branding, HR, New Work, Digitalisierung, Medien, Marketing und Technologie. Seit mehr als 15 Jahren unterstützt Dominik Unternehmen und Organisationen dabei, sich in diesen komplexen Themenfeldern zurechtzufinden und ihre Ziele zu erreichen.