Eignungsdiagnostik und Prozesseffizienz verbessert: Einsatz von CASE im Rahmen des Start-up Traineeprogramms der Deutschen Telekom

 02. Dezember 2020

Ein Gastbeitrag von Julien Luig-d’Alquen (HR Diagnostic, Deutsche Telekom), Dr. Jan Bergerhoff, Dr. Philipp Seegers (beide CASE).
(Hintergrund: Zum diskriminierungsfreien Algorithmus von CASE hatten wir bereits im Oktober ein Interview mit Philipp Seegers geführt.)

Seit rund zwei Jahren kommt der CASE Score zum Einsatz, wenn die Deutsche Telekom neue Trainees für das Start-up-Programm auswählt. Wie sieht so ein Einstellungsprozess aus, was ist der CASE Score und warum nutzt ihn die Deutsche Telekom?

Zunächst erwartet Trainee-Bewerbende bei der Deutschen Telekom ein mehrstufiger Auswahlprozess. In einem ersten Lebenslauf-Screening werden vielversprechende Bewerbungen identifiziert – hier kommt inzwischen auch der CASE Score zum Einsatz, aber dazu später mehr. Anschließend werden Bewerbende zu einem Assessment-Center geladen. Dieses setzt sich aus bis zu drei Elementen zusammen. In einem interaktiven Game-Based-Assessment werden bestimmte, für die Telekom relevante, Eigenschaften erhoben. Anschließend geht es mit anderen Bewerbenden in ein „klassisches“ Assessment-Center. Hier werden Fallstudien bearbeitet, diskutiert und gepitcht. Bewertet wird auf den gleichen Dimensionen, die auch im Game-Based-Assessment bereits erhoben wurden. Bewerbende mit einem guten Gesamtscore kommen anschließend direkt in den letzten Auswahlschritt in Form eines Interviews mit einer Führungskraft aus einem der verschiedenen Bereiche der Telekom, in denen die Trainees später auch eingesetzt werden. Zu- und Absagen werden somit noch am Tag des Assessment-Centers ausgesprochen.

In diesem Prozess kommt seit 2018 auch der CASE Score im Rahmen des Screenings zum Einsatz, um die gerade bei jungen Bewerbenden wichtige Lebenslaufstation „Bildung“ besser und vor allem objektiver einschätzen zu können. Junge Menschen verbringen, wenn sie studieren, viel Zeit an ihrer Hochschule. Rund sechs Jahre benötigen Studierende durchschnittlich bis zum Abschluss. In dieser Zeit demonstrieren sie neben ihren kognitiven Fähigkeiten auch immer wieder wichtige Persönlichkeitseigenschaften wie Gewissenhaftigkeit und Emotionale Stabilität, die auch im späteren Job wichtig sind.

Am Ende des Studiums steht eine Note, die wegen der fehlenden Standardisierung des Bildungssystems nicht vergleichbar ist. So kann es vorkommen, dass eine Kandidatin mit einer 2,0 im Abschlusszeugnis zu den besten 10% (Echtes Beispiel: TU München, Bachelor Maschinenbau, 2019) oder zu den schlechtesten 10% (Echtes Beispiel: U Heidelberg, Master Psychologie 2019) des lokalen Studienjahrgangs gehörte. Und bei annähernd 30.000 Studienprogrammen ist es zudem auch kaum möglich einen Überblick über die Qualität und Kompetitivität der Programme zu behalten. Genau hier hilft der CASE Score.

Case Score Telekom

Bevor der CASE Score aber bei der Telekom eingesetzt wurde, haben wir gemeinsam eine Validierungsstudie durchgeführt und analysiert, inwieweit dadurch bestimmte für die Telekom relevante Kompetenzen erhoben und Auswahlentscheidungen vorhergesagt werden können. Im ersten Auswahlschritt, dem CV-Screening, konnten wir zeigen, dass die Selektion ohne CASE Score in der Tendenz zu ähnlichen Ergebnissen führt. Im Screening-Prozess waren Bewerbende mit guten Leistungen im Bildungssystem erfolgreicher. Der CASE Score kann hier helfen, die Leistungen besser im jeweiligen Kontext zu verstehen. Dadurch können gute Bewerbende – gerade, wenn sich dies nicht an der Note erkennen lässt – dennoch verlässlich identifiziert werden. Gleiches gilt entsprechend für nur vermeintlich gute Leistungen. Darüber hinaus kann der CASE Score in diesem Prozessschritt zu einer Vereinheitlichung der Anforderungen führen, gerade wenn mehrere Personen das Screening durchführen oder hier eine gewisse Personalfluktuation herrscht.

Case Score

Die hier gesammelte Evidenz zeigt, dass der CASE Score grundsätzlich den bisherigen Screening-Prozess nachvollziehen und diesen darüber hinaus sinnvoll ergänzen kann. Dennoch ist es notwendig zu schauen, ob auch eine über diesen Prozessschritt hinausgehende Validität besteht. Wie hängt der CASE Score also mit dem Assessment-Center zusammen? Kann vorausgesagt werden, wer später auch eingestellt wird? Und wie verhält es sich mit dem Kompetenzmodell der Telekom?

Es existiert eine signifikante Korrelation zwischen dem CASE Score und den Assessment-Center Ergebnissen. Dies liegt daran, dass sowohl mit den „klassischen“ AC-Aufgaben, aber auch dem Game-Based-Assessment, ein statistisch robuster Zusammenhang besteht. Im Kompetenzmodell der Telekom stechen hier zwei Dimensionen besonders heraus: (1) Performance Orientation und (2) Results Orientation ließen sich beide durch den CASE Score vorhersagen. Mit den übrigen Dimensionen bestehen ebenfalls kleinere statistische Zusammenhänge (Beispiele hierfür sind Kompetenzen aus den Bereichen Team- und Kommunikationsfähigkeit) oder keine Zusammenhänge. Ein Zusammenhang in die „falsche“ Richtung, bei dem ein besserer CASE Score mit schlechteren Werten bei einer bestimmten Kompetenz assoziierte werden würde, konnte nicht gefunden werden.

Case Score: blaue und grüne Punkte

Wie sieht es also mit den Einstellungen aus? Neben dem Zusammenhang zwischen CASE Score und Assessment-Center-Ergebnissen (Regressionslinie) zeigt die Grafik auch, welche Bewerbenden nach einem positiven Assessment-Center in das finale Interview kommen und später eingestellt werden konnten: Blaue Punkte stellen Bewerbende im Assessment-Center dar, welche später kein Jobangebot erhalten haben; grüne Punkte haben ein Jobangebot bekommen. Allein schon auf Grund der Prozessstruktur zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen dem Abschneiden im Assessment-Center und späteren Einstellungen. Im Vergleich dazu ist die Vorhersagekraft des CASE Scores zwar eindeutig vorhanden, aber natürlich untergeordnet.

In der Gesamtheit der Ergebnisse zeigt sich dennoch in jedem Fall: Der CASE Score kann den Bewerbungsprozess bei der Telekom objektiver machen. Er deutet in die gleiche Richtung wie die anderen Auswahlschritte und Auswahlinstrumente und erlaubt damit vom Start weg eine effiziente, weil automatisierbare, und darüber hinaus valide Diagnostik von Bewerbenden. Durch schlaues, zielgenaues Nutzen der Hochschulbildung der Bewerbenden hat die Telekom ihre Eignungsdiagnostik und Prozesseffizienz verbessert, ohne dass neue Informationen erhoben werden mussten. Der Bildungsabschluss lag bereits für alle Bewerbenden vor, ein besseres Verständnis des Kontextes macht den Unterschied.