Eva Stock über die Initiative #HRespect gegen Rassismus – LOVE HR, HATE RACISM

Vor einigen Jahren gründeten Jess Koch und Eva Stock die Initiative #HRespect. Die Initiative möchte (unter anderem HR´ler) für das Thema Rassismus sensibilisieren. Denn, Eva und Jess meinen – und damit haben sie wohl recht: So wirklich frei von Vorurteilen ist niemand. Das ist für uns Grund genug, die beiden mit ihrer jeweiligen Sicht auf die Dinge im Queb Blog zu Wort kommen zu lassen. Zumal wir als Queb Bundesverband die #HRespect Initiative seit einiger Zeit selbst aktiv unterstützen.

Wir wünschen Euch jetzt viel Inspiration und Selbsterkenntnis, bei den folgenden beiden Blogbeiträgen, die kurz hintereinander erscheinen werden.

Heute ist Eva an der Reihe. Und hier geht es lang, wenn Du das Interview mit Jess Koch lesen möchtest.

Stell Dich unseren Leser:innen bitte einmal kurz vor! Wer bist Du und was machst Du?

Eva Stock über die Initiative #HRespect gegen Rassismus – LOVE HR, HATE RACISM| Eva Stock C Maike Wittreck, Comspace Kl
Eva Stock; Copyright Maike Wittreck, Comspace

Ich bin Eva Stock, Chief People & Marketing Officer bei comspace und HR-Expertin. Einige kennen mich auch unter HRisnotacrime. Ich bin 39 Jahre alt und wohne und arbeite remote in Berlin. Der Sitz von comspace ist in Bielefeld.

Was hat Dich dazu bewogen, die #HRespect Initiative ins Leben zu rufen? Was ist Deine persönliche Motivation?

Auf meinem Blog thematisiere ich vielen Aspekte der HR-Arbeit. Dazu gehört auch Rassismus und Diskriminierung. Vor ein paar Jahren schrieb ich erstmals darüber, was und warum HR eigentlich mit Rassismus zu tun hat und wie wir uns positionieren müssen, um Diskriminierung generell keine Chance zu geben. Auf einer Personalermesse sah ich dann Jess Koch, mit seinem “Love HR, hate Racism”-Shirt, das er selbst designt hatte. (Lies hier das Interview mit Jess Koch 😉). Wir wurden dort (sehr viel hinter vorgehaltener Hand) für unseren „Mut“ gelobt, gegen Rassismus Stellung zu beziehen – ein Lob, das uns stutzig machte.  Weil viele auch gleichzeitig sagten, dass sie sich das selbst nicht trauen würden, gegen Rassismus offen einzustehen. Das war für uns untragbar, und so entstand die Idee für die Initiative hrespect.de.

Die Zusammensetzung der Initiative hat sich zwar immer mal geändert, aber Jess und ich sind von Anfang an dabei. Es ist nicht einfach, sich neben der Arbeit noch Zeit für die Initiative freizuschaufeln. Es ist ein Ehrenamt, aber wir haben es nie aufgegeben, denn das Thema ist aktueller denn je. Unsere Shirts haben mittlerweile so etwas wie einen Kultstatus und werden gerne auch auf Messen getragen. Jess muss sich also nun nicht mehr wie ein Einzelkämpfer fühlen, sondern ist in allerbester Gesellschaft.

Das Shirt ist nicht nur ein Statement, sondern auch ein kleines Zeichen für Betroffene: „Wir sehen das Thema und gucken nicht weg!“ Und ein Reminder an alle Nicht-Betroffenen, dass Rassismus allgegenwärtig ist. Es mag für viele unangenehm sein, aber wir erklären gerne in Einzelgesprächen, warum wir das machen, damit nicht die Betroffenen selbst immer diese Aufklärungsarbeit leisten müssen.

Eva Stock über die Initiative #HRespect gegen Rassismus – LOVE HR, HATE RACISM | #HRespect  Tshirt im Shop kaufen
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Welche Ziele verfolgt #hrespect?

Wir möchten Personaler*innen für das Thema Rassismus und Diskriminierung sensibilisieren. Als Personaler*innen sind wir nicht nur oft mit den Thematiken und Auswüchsen von Rassismus und Diskriminierung beschäftigt, wenn sie im eigenen Unternehmen auftauchen. Wir sind ja selbst an der Speerspitze, rassistische Entscheidungen zu treffen. Ich kenne beispielsweise keine*n IT- Recruiter*in, der oder die noch nicht von Hiring Manager*innen gehört hat, „ob man nicht mal ‚europäischere Kandidat*innen“ finden könne, für die Ausschreibung.
Gemeinsam mit Andisheh Ebrahimnejad, Nathalie Marie Perez Sievers und Yvonne Kalthöfer und Jess Koch arbeiten wir daran, das Bewusstsein dafür zu schärfen, was nicht-weiß gelesene Menschen täglich ertragen müssen. Als weiße Person hat man diese Erfahrungswelt nicht. Wir alle haben Vorurteile, sehen Hautfarben und nehmen Unterschiede wahr. Aber wir können daran arbeiten, das zu erkennen und anzuerkennen, dass Rassismus und auch das Wegdrücken und Negieren von ebendiesem, Betroffene massiv belastet.

Unser Ziel ist es, Räume für Dialog und Aufklärung zu schaffen. Andisheh und Nathalie bieten momentan kostenlose Workshops zu Antirassismus und Unconscious Bias an, die für diejenigen gedacht sind, die es sich sonst nicht leisten können. Etwa, weil kein dickes Bildungsbudget da ist. Es ist toll zu sehen, wie uns Unternehmen in der Durchführung unterstützen, indem sie beispielsweise Catering und Räume sponsern. Aber viele der Teilnehmenden müssen für die Teilnahme extra Urlaub nehmen und die Fahrtkosten selbst zahlen. Das zeigt, dass noch viel zu tun ist!

Wie oben schon angedeutet: Immer mehr Personalabteilungen kaufen kollektiv unseren Merch – vor allem die T-Shirts sind der Renner. Wir spenden den Gewinn vollständig an Organisationen, die sich gegen Rassismus einsetzen. Aktuell ist es die Ferhat Unvar Bildungsinitiative. Ferhat war eines der Opfer des Terroranschlags von Hanau. Ein Ereignis, das uns als Initiative absolut bewegt und fassungslos zurückgelassen hat.
Davor haben wir aber auch schon für EXIT Deutschland und hàwar.help gespendet.

Wir wollen, dass Kolleg*innen nachdenken – über sich selbst, ihr Unternehmen und die Gesellschaft. Unsere Initiative soll Menschen dabei helfen, ihre Unsicherheiten – aber auch ihre Entschlossenheit, gegen Rassismus vorzugehen – zu teilen. Sie sollen sich nicht alleingelassen fühlen.

Die Geschichten aus Alltagssituationen unserer Mitstreiterinnen bei „Love HR, hate Racism“, die nicht weiß gelesen sind, öffnen uns intern regelmäßig die Augen und machen uns oft auch wütend und hilflos. Diese Hilflosigkeit treibt uns an, zu handeln. Wir wollen nicht mit dem Status quo zufrieden sein und wegschauen. Und wir wollen auch anderen Menschen den Mut geben, auf ihr Bauchgefühl zu hören, das sich in Situationen regt, in denen sie Rassismus und Diskriminierung mitbekommen.

Still zu sein, ist keine Option. Zumindest auf die Betroffenen zuzugehen und ihnen Unterstützung anbieten oder sie in ihrer Erfahrung anzusprechen – das kann man auch in Alltagssituationen und als eher introvertierter Mensch leisten. Und irgendwann kann man nicht mehr wegsehen und auch nicht mehr still bleiben, wenn Unrecht geschieht. Das ist ein großer Wunsch und Schritt – wir arbeiten dran!

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Welche konkreten Maßnahmen empfiehlt #hrespect Unternehmen, um Rassismus zu bekämpfen?

Ein paar habe ich ja schon genannt. Wir alleine können ganz sicher nicht „Rassismus bekämpfen“. Wir können Ally sein, Verbündete, Anlaufstelle, Schutzraum oder Ideengeber*innen. Aber gegen Rassismus aufstehen, das müssen wir schon gemeinschaftlich machen in Deutschland. In diesem Jahr ist schon sehr viel passiert und jetzt dürfen wir nicht nachlassen! Rassismus ist schon lange alltagstauglich geworden. Ich bin jetzt 39 Jahre auf dieser Welt. Und was mittlerweile alles an Diskusverschiebung passiert ist und was mittlerweile alles sagbar ist, ekelt mich teilweise an.
Personaler*innen dürften nicht stumm bleiben, wenn die populistischen Wellen ins Unternehmen schwappen, wenn das Management unüberlegt oder wohlüberlegt rassistische Ressentiments fördert. Es braucht immer ein paar mutige Menschen, die aufstehen. Und HR ist das Ohr und das Gehirn der Organisation. Wenn nicht wir, wer dann?!

Wie können Personaler:innen aktiv zur Förderung einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur beitragen?

Der erste Schritt ist Bildung. Hören wir auf, uns mit Aussagen wie  „Ich sehe keine Hautfarbe“ oder „Im Ausland bin ich auch Ausländer*in“ zu verteidigen. Rassismus gegen weiße Personen gibt es de facto nicht. Jetzt regt sich bei dem einen und der anderen sicherlich ein innerer Widerstand. Diskriminierung hat man ja vielleicht auch schon mal als weiße Person erlebt! Das mag auch richtig sein, aber Diskriminierung ist nicht dasselbe wie Rassismus. Diesen Unterschied zu verstehen, ist für ganz viele Menschen ein Aha-Erlebnis.

Es kostet Überwindung, die eigenen Privilegien zu erkennen und zu hinterfragen. Besonders in Deutschland, wo ja viele das Gefühl haben, ihnen gehe es kollektiv schlecht. Doch wer diesen Schritt gemacht hat, kann nicht mehr zurück. Als Soziologin sehe ich die Welt durch eine bestimmte Linse, aber nicht jeder teilt diese Perspektive. Deshalb ist es auch so wichtig, dass unsere Bewegung möglichst vielfältig ist und Menschen aus verschiedenen Bildungshintergründen sich mit Rassismus und Privilegien auseinandersetzen.
Ich empfehle Tupoka Ogettes Buch “EXIT Racism” als Einstieg. Sie spricht davon, das „Happy-Land” zu verlassen – die Komfortzone, in der beispielsweise Hautfarbe keine Rolle spielt und in der Rassismus nicht im unmittelbaren Umfeld passiert.
Sobald man gecheckt hat, was man alles nicht erlebt, als weiße Person – einfach weil Du die richtige Hautfarbe hast: Das beschämt einen! Das setzt eine neue Perspektive auf das eigene Leben. Es ist nie zu spät, diese einzunehmen. Wir müssen den Betroffenen zuhören und ihnen nicht vorschreiben, was sie sagen oder denken sollen, nur weil es uns selbst unangenehm ist.

Welche Rolle spielt die Personalabteilung aus Deiner Sicht bei der Entwicklung von Vielfalt und Inklusion im Unternehmen?

Die Personalabteilung ist der Gatekeeper. Wir sichten die Lebensläufe, führen die Gespräche mit den Hiring Manager*innen und bekommen die Mails, wenn es gekracht hat. Wir sind der Kummerkasten für alle Kolleg*innen und die erste Anlaufstelle, wenn es Fragen gibt. Alle Fäden laufen bei uns zusammen, auch wenn das viele in der Organisation weder anerkennen noch wirklich sehen. Wenn es brenzlig wird, müssen wir Lösungen finden.

Um diese Rolle auszufüllen, ist es wichtig, dass wir als HRler*innen erst einmal selbst eine klare Meinung und einen klaren Standpunkt zu bestimmten Themen herausgebildet zu haben. Das bedeutet auch, sich mit den eigenen Unzulänglichkeiten beschäftigt zu haben, um bessere Entscheidungen treffen und diese auch klar begründen zu können. Dabei bleibt der Dialog essenziell. Es geht nicht darum, dass Personalabteilungen ihre Meinung schon gebildet haben, bevor die Frage gestellt wird. Sondern darum, eine Grundidee zu Werten und zur Zusammenarbeit zu haben.

Niemand ist perfekt, kein Unternehmen ist perfekt. Aber wir können daran arbeiten, dass es besser wird. Und das macht die HR-Rolle der Zukunft aus. Nicht der Name der Abteilung ist wichtig. Egal, ob HR, Personalabteilung, People & Culture, People Experience – das, was drinsteckt, das ist wichtig!

Unsere Aufgabe ist es, eine Kultur der Vielfalt und Inklusion zu fördern, indem wir als Vorbilder agieren, Prozesse schaffen, die Diversität unterstützen, und einen Raum bieten, in dem alle Stimmen gehört werden.

Unsere zentrale Position im Unternehmen gibt uns die Möglichkeit, echten Wandel voranzutreiben. Indem wir die Werte von Vielfalt und Inklusion tief in die Unternehmenskultur integrieren, tragen wir dazu bei, ein respektvolles und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem jede*r Einzelne sich entfalten kann.

Was sind Deiner Erfahrung nach die größten Herausforderungen bei der Umsetzung einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur?

Ganz kurz und knapp: Der Mensch ist das Problem. Wer das nicht versteht, kann sich ja die Ausführungen vorher noch mal anschauen.

Hast Du Tipps, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen für das Thema Rassismus sensibilisieren können?

Beginnt mit Schulungen, vor allem bei HR. Teilt das Wissen und weist andere darauf hin. Psychologische Sicherheit ist entscheidend, damit sich Leute trauen, den Mund aufzumachen, und rassistische Vorfälle anzusprechen oder Fragen zu stellen. Hört auf Euer Bauchgefühl und sprecht Situationen auch nachträglich an. In einem Unternehmen mit hoher psychologischer Sicherheit und klaren Regularien lässt sich leichter ein Dialog führen. Fragt zum Beispiel: „Was hättest Du in dieser Situation gebraucht?“ Diese Frage sollte nicht nur Betroffenen gestellt werden, sondern auch denen, die etwas mitbekommen haben und nicht eingegriffen haben. Oft fehlt nicht der Wille, sondern die Idee, wie man reagieren kann. Diese Unsicherheit zu überwinden, ist eine gemeinsame Leistung von Management und Kolleg*innen.

Antirassismus hat nichts mit Gleichschaltung oder Meinungsunterdrückung zu tun. Rassismus ist in Deutschland strafbar, was Unternehmen zum Nachdenken anregen sollte. Rassistische Sprache ist meist kein einmaliger Ausrutscher, sondern wird gezielt eingesetzt, um zu verletzen und abzuwerten. Daher ist es wichtig, nicht nur mit den Betroffenen zu sprechen, sondern auch klar mit den Aggressoren umzugehen. Rassistische und diskriminierende Äußerungen dürfen nicht als Bagatelldelikt behandelt werden. Unternehmen müssen Prozesse etablieren und kommunizieren, um klarzustellen, dass solche Vorfälle ernst genommen werden. Alle Mitarbeitenden sind bei der Umsetzung gefragt, und es muss in der Geschäftsleitung verankert sein. Ohne eine klare Haltung im Management bleibt alles ein Lippenbekenntnis.

Was würdest Du Arbeitgebern, die Verbesserungen im Bereich Diversity, Equality & Inclusion anstreben, dringend empfehlen?

Um es nach Tupoka Ogette zu sagen: Exit Happyland – auch in Deinem Unternehmen gibt es Diskriminierung, Rassismus und nicht alles ist so supidupi wie es manchmal präsentiert wird. Mach die Augen auf, höre auf Dein Bauchgefühl, bilde Dich weiter auch außerhalb des Unternehmens, sei wachsam und demokratisch! Ermögliche Deinen Mitarbeitenden, sich in diesen Themen weiterzubilden und weiterzuentwickeln. Überlasse die Teamleitungen und Teams nicht sich selbst, sondern sieh hin und kläre auf, biete Hilfestellungen, auch ungefragt. Und zeige selbst Haltung. Was an der Unternehmensspitze nicht passiert und nicht kommuniziert wird, kann auch nicht innerhalb des Unternehmens gelebt werden. Sieh die, die wollen, die sich Mühe geben, Kolleg*innen zu integrieren, die laut sind gegen Rassismus und rassistische Äußerungen. Nimm diese Multiplikator*innen wahr, unterstütze und wertschätze sie. 

Danke für die Einblicke in die Arbeit von #HRespect, liebe Eva! Queb wünscht Euch auch weiterhin viel Zulauf und Erfolg bei Eurer Arbeit. Der Queb Bundesverband unterstützt Eure Initiative ja ebenfalls seit einigen Monaten. So findet sich unter vielen unserer Blog- und Podcast-Beiträgen Euer Logo. Ebenso setzen wir Euer Logo als Zeichen für unsere eigene Haltung zum Thema Rassismus auf unserer Startseite ein. Macht weiter so!

Dieses Interview führte Dominik Bernauer

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Dominik Bernauer ist Berater, Autor, Blogger und Ghostwriter. Sein Themenspektrum erstreckt sich über diverse Bereiche wie, Employer Branding, HR, New Work, Digitalisierung, Medien, Marketing und Technologie. Seit mehr als 15 Jahren unterstützt Dominik Unternehmen und Organisationen dabei, sich in diesen komplexen Themenfeldern zurechtzufinden und ihre Ziele zu erreichen.

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