Vor einigen Jahren gründeten Jess Koch und Eva Stock die Initiative #HRespect. Die Initiative möchte (unter anderem HR´ler) für das Thema Rassismus sensibilisieren. Denn, Eva und Jess meinen – und damit haben sie wohl recht: So wirklich frei von Vorurteilen ist niemand. Das ist für uns Grund genug, die beiden mit ihrer jeweiligen Sicht auf die Dinge im Queb Blog zu Wort kommen zu lassen. Zumal wir als Queb Bundesverband die #HRespect Initiative seit einiger Zeit selbst aktiv unterstützen.
Wir wünschen Euch jetzt viel Inspiration und Selbsterkenntnis, bei den folgenden beiden Blogbeiträgen, die kurz hintereinander erscheinen werden.
Den Anfang macht heute Jess Koch.
Jess, stell Dich unseren Leser:innen bitte einmal kurz vor! Wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Jess, ca. Mitte vierzig, verheiratet, habe einen Sohn. Seit fast seit 20 Jahren bin ich mit HR verbandelt und kenne HR aus recht vielen Perspektiven. Aktuell bin ich als Berater bei den HR Pioneers unterwegs. Grob gesagt unterstütze ich Unternehmen bei der Transformation und habe hierbei einen meiner Schwerpunkte in HR. Wenn ich Zeit habe, sitze ich direkt hinterm Tor bei den Heimspielen des magischen FC St. Pauli oder buddel mir in meinem Kleingarten die Woche aus dem Körper.
Was hat Dich dazu bewogen, die #HRespect Initiative ins Leben zu rufen? Was ist Deine persönliche Motivation?
Meine Motivation, #HRespect zu initiieren, entspringt dem Imperativ, die Dinge beim Namen zu nennen und aus der Geschichte zu lernen. Diese Kernprinzipien treiben mich an, einen Raum zu schaffen, in dem wir uns offen mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen und aktiv nach Lösungen streben können. #HRespect ist eine offene Einladung, diesen Diskursraum gemeinsam zu formen.
Als ich 2019 zum ersten Mal das T-Shirt trug, beabsichtigte ich, ein klares Zeichen zu setzen, besonders in Anbetracht der damals hohen Popularität der AfD und der verbreiteten Ansicht, dass sich die Gesellschaft zunehmend polarisiert.
Die immerwährende Frage, sowohl damals als auch heute, ist, warum wir gesellschaftliche Spaltungen akzeptieren. Diese Überlegung nimmt mich stark ein. Doch bloßes Reflektieren reicht nicht aus; es bedarf konkreter Handlungen. Die Botschaft ist für mich – gerade als Vater und HRler – unmissverständlich: The time is now. Es liegt an uns, jetzt Verantwortung zu übernehmen und nicht darauf zu warten, dass künftige Generationen die Herausforderungen bewältigen.
Sorry, ja, die tägliche Beschäftigung mit der eigenen Haltung stellt eine echte Herausforderung dar. Weil das Einnehmen einer klaren Position oft als unbequem empfunden wird. Wir tendieren dazu, Komfortzonen nicht zu verlassen, diskutieren lieber über das Wetter und ignorieren dabei die wesentlichen Themen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir insbesondere am Arbeitsplatz die Möglichkeit schaffen müssen, offen miteinander zu kommunizieren, anstatt politische Debatten als Tabu zu sehen. In einer Ära, in der traditionelle Kommunikationsräume wie die Eckkneipe seltener werden und digitale Blasen echte Begegnungen verhindern, ist es umso wichtiger, dass Unternehmen ihre soziale Verantwortung ernst nehmen. Die Betriebsstätten, in denen wir den Großteil unserer Zeit verbringen, müssen zu Orten des Austauschs und der Begegnung werden. Sonst wird das nix mit einer besseren Zukunft.
Das Engagement, das T-Shirt zu tragen, war ein Signal zum Dialog und eine klare Ablehnung von rassistischen Denk- und Handlungsweisen, eine Aufforderung zur offenen Diskussion. Mein Anliegen war und ist es, die HR-Branche an ihre besondere Verantwortung zu erinnern und sie als Teil der Lösung zu etablieren.
Welche Ziele verfolgt #HRespect?
#HRespect zielt darauf ab, Menschen aus dem HR-Bereich dazu zu bewegen, Stellung zu beziehen und öffentlich zu zeigen, wofür sie stehen. Damit sollen sie für andere erkennbar und als Vorbilder sichtbar werden. Durch diesen Austausch erhoffen wir uns die Entstehung neuer Ideen, wie man sich zum Thema einbringen kann, wobei wir gerne auch Unterstützung, etwa durch unser großes Netzwerk, anbieten. Die Initiative will motivieren, eigene Beiträge zu leisten. Ein Beispiel hierfür ist die Initiative von Jo Dierks, der mit uns einen Merchandising-Stand auf seinem HREdge Event organisierte. Die Teilnehmer wurden eingeladen, das Shirt während der Veranstaltung zu tragen (so viele hatten schon eins). Auch wird die TalentPro in diesem Jahr eine klare Position beziehen. Es tut gerade echt gut zu sehen, wie viele sich Gedanken machen und sich bei uns melden. Unternehmen bringen sich durch etwa kritische Selbstreflexion in Blogartikeln ein, Recruiter tragen das Shirt beim Bewerbungsgespräch oder haben das Logo auf ihrer Karriereseite. Die HR-Abteilung der ING beispielsweise trug das Shirt bei ihrem Jahreskickoff. Wir wissen von Leuten, die gerade überlegen, das Thema in speziellen Podcasts zu behandeln (Will den jemand sponsern? Dann bitte gerne bei mir melden!), und die Nachfrage nach themenspezifischen Trainings wächst. #HRespect möchte darauf aufmerksam machen, zur Teilnahme einladen und Unterstützerin bei der Umsetzung sein.
Welche konkreten Maßnahmen empfiehlt #HRespect Unternehmen, um Rassismus zu bekämpfen?
Um Rassismus effektiv zu bekämpfen, empfehlen wir Unternehmen, dass Unternehmensführung, Personalverantwortliche wie auch Führungskräfte das Thema Rassismus offen ansprechen und zur Diskussion stellen. Es geht dabei nicht um Schuldzuweisungen, sondern um die gemeinsame Sensibilisierung und Reflexion, um Rassismus bewusst entgegenzutreten. Die Selbstreflexion spielt eine entscheidende Rolle, da oft auch in HR-Abteilungen eine mangelnde Diversität vorherrscht. Es ist wichtig, sich mit eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen und Veränderungen anzustoßen. Eine Nulltoleranzpolitik gegenüber rassistischen Äußerungen und Verhaltensweisen ist unerlässlich. Unternehmen müssen klar Position beziehen und deutlich machen, was nicht akzeptabel ist – sowohl intern als auch nach außen. Diese Haltung kann unbequem sein, ist jedoch für den Wandel notwendig.
Die Unternehmenskultur muss Offenheit und Transparenz fördern, damit Betroffene und Beobachter wissen, wie sie vorgehen können, wenn sie Rassismus melden möchten. Diversität und Inklusion müssen über reine Abteilungsbezeichnungen hinaus gelebt und in die gesamte Unternehmensstrategie integriert werden. Nur so kann ein umfassendes Verständnis und eine effektive Bekämpfung von Rassismus erreicht werden.
Wie können Personaler:innen aktiv zur Förderung einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur beitragen?
Personaler:innen spielen eine Schlüsselrolle bei der Schaffung und Förderung einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur. Anti-Rassismus-Trainings bieten eine weitere Möglichkeit, Bewusstsein zu schaffen und Anregungen für den Umgang mit Rassismus zu geben. Es ist außerdem wichtig, Schutzräume für Betroffene zu schaffen, in denen sie über ihre Erfahrungen sprechen können, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen. Dies kann durch Vertrauenspersonen oder spezielle Anlaufstellen innerhalb des Unternehmens geschehen. Des Weiteren ist es wichtig, dass Recruiting-Prozesse fair und transparent gestaltet werden, um Chancengleichheit für alle Bewerber:innen zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Verwendung von sprachneutralen Stellenausschreibungen und die Anwendung von standardisierten Bewertungskriterien. Ein weiterer Aspekt ist die aktive Förderung von Vielfalt in Führungspositionen, um ein breites Spektrum an Perspektiven und Erfahrungen im Managementteam zu gewährleisten. Personaler:innen sollten auch ein offenes Ohr für die Bedürfnisse und Sorgen aller Mitarbeiter:innen haben und ein Umfeld schaffen, in dem sich jede:r frei äußern kann. Durch diese Maßnahmen können Personaler:innen eine Kultur der Inklusion und des Respekts fördern, die dazu beiträgt, Diskriminierung am Arbeitsplatz zu minimieren.
Welche Rolle spielt die Personalabteilung aus Deiner Sicht bei der Entwicklung von Vielfalt und Inklusion im Unternehmen?
Die Personalabteilung spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung von Vielfalt und Inklusion im Unternehmen. Sie dient nicht nur als erste Anlaufstelle für Mitarbeiter*innen, die mit Diskriminierung konfrontiert sind, sondern setzt auch klare Zeichen gegen diskriminierende Äußerungen und Handlungen. Verständlicherweise bestehen bei Betroffenen viele Unsicherheiten und Ängste, wie ihre Anliegen aufgenommen werden, welche Rechte sie haben und welche Konsequenzen ihre Beschwerden nach sich ziehen könnten. Hier ist es essenziell, dass die Personalabteilung nicht nur zuhört und ernst nimmt, sondern auch proaktiv Unterstützung und Beratung durch unabhängige, parteiliche Antidiskriminierungsberatungsstellen anbietet, falls solche intern nicht verfügbar sind.
Es bedarf einer Sensibilisierung innerhalb der Belegschaft, um subtile Formen der Diskriminierung zu erkennen und ernst zu nehmen. Klare Kommunikation und das Aufzeigen von Konsequenzen für diskriminierendes Verhalten sind dabei unerlässlich. Die Personalabteilung muss Strukturen schaffen, die betroffenen Mitarbeiter*innen vertrauliche und unterstützende Anlaufstellen bieten und sicherstellen, dass jede Beschwerde zu konkreten Schutzmaßnahmen führt.
Neben dem individuellen Umgang mit Diskriminierungsfällen muss die Personalabteilung auch institutionelle Prozesse und Regelungen kritisch hinterfragen. Dies umfasst die Prüfung interner Verfahren auf potenzielle Ausschlüsse oder Benachteiligungen und die Reflexion über die Diversität der Belegschaft. Eine diskriminierungskritische Organisationsentwicklung geht über einzelne Workshops hinaus und erfordert einen tiefgreifenden Prozess, um strukturelle Ungleichheiten zu adressieren.
Das übergeordnete Ziel ist die Anerkennung von Diskriminierung als gesellschaftliche Realität und die Etablierung von Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung als zentrale Unternehmenswerte. Dazu gehört auch das Verständnis, dass Diskriminierung nicht notwendigerweise absichtlich erfolgen muss, sondern bereits dann vorliegt, wenn es im Effekt zu ungerechtfertigter Ungleichbehandlung kommt. Maßnahmen gegen Diskriminierung müssen auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene ansetzen und in allen Unternehmensbereichen verankert werden. Die klare Positionierung gegen Diskriminierung und die Umsetzung konkreter Maßnahmen und Strukturen spiegeln das ernsthafte Engagement des Unternehmens wider und sind entscheidend für eine inklusive und vielfältige Arbeitsumgebung. Entsprechend müssen Personalabteilungen, wenn sie sich verantwortlich für People und Culture im Unternehmen sehen, in der Entwicklung von Vielfalt und Inklusion nicht nur eine unterstützende, sondern eine führende Rolle einnehmen.
Was sind Deiner Erfahrung nach die größten Herausforderungen bei der Umsetzung einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur?
Wir sehen uns mit einigen Schlüsselherausforderungen auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreien Unternehmenskultur konfrontiert. An erster Stelle steht das tiefe Verständnis für Diskriminierung. Es geht weit über offensichtliche Akte hinaus, umfasst auch die subtilen und oft unbewussten Verhaltensweisen sowie strukturelle Ungleichheiten innerhalb unserer Organisation, die schwer zu identifizieren und anzugehen sind.
Eine weitere Hürde ist die Veränderung von tief verwurzelten Denkweisen. Trotz Schulungen und Sensibilisierungsprogrammen bestehen alte Vorurteile und Stereotypen fort, was uns zeigt, dass ein kontinuierliches Engagement für eine inklusive Kultur notwendig ist.
Das Schaffen sicherer Kanäle, über die Diskriminierungsfälle gemeldet werden können, ist ebenfalls entscheidend. Jeder im Unternehmen muss sich sicher fühlen, seine Erfahrungen zu teilen, ohne Angst vor Vergeltung. Das verlangt ein Umfeld, das Offenheit und Unterstützung großschreibt.
Schließlich erfordert die Aufrechterhaltung einer diskriminierungsfreien Kultur die ständige Überprüfung und Anpassung unserer internen Prozesse und Richtlinien. Wir müssen bereit sein, uns selbst kritisch zu hinterfragen und notwendige Veränderungen vorzunehmen. Es ist ein fortlaufender Prozess, der Engagement und Bereitschaft zu Veränderungen erfordert, aber wir sind überzeugt, dass es den Aufwand wert ist, um eine gerechte und inklusive Arbeitsumgebung für alle zu schaffen.
Hast Du Tipps, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen für das Thema Rassismus sensibilisieren können?
Tragt das T-Shirt, kauft Euch ’nen Kaffeebecher. Ladet zum After-Work-Talk ein.
Welche Rolle spielt Deiner Erfahrung nach die Haltung von Führungskräften bei der Umsetzung von Diversity, Equality & Inclusion?
Die Bedeutung der Haltung von Führungskräften für die Umsetzung von Diversity, Equality & Inclusion (DEI) in einem Unternehmen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Führungskräfte sind die Architekten der Unternehmenskultur.
Sie setzen die Standards und definieren durch ihr eigenes Verhalten, was akzeptabel ist und was nicht. Wenn Führungskräfte sich authentisch und mit vollem Einsatz für DEI-Themen starkmachen, senden sie ein mächtiges Signal an das gesamte Unternehmen. Es geht dabei nicht nur um die Formulierung von Richtlinien oder das Abhalten von Workshops – obwohl beides wichtig ist. Es geht vielmehr darum, wie Führungskräfte im Alltag agieren, wie sie kommunizieren und wie sie mit Unterschiedlichkeit umgehen.
Ein Schlüsselaspekt dabei ist das Vorleben. Führungskräfte müssen zeigen, dass sie DEI-Werte leben, in ihren Entscheidungen, in der Art, wie sie mit Menschen umgehen, und in der Priorität, die sie diesen Themen einräumen. Sie müssen Barrieren erkennen und abbauen, eine Kultur der Offenheit fördern und aktiv für ein Umfeld sorgen, in dem sich jeder Einzelne wertgeschätzt und einbezogen fühlt.
Außerdem sind Führungskräfte entscheidend, wenn es darum geht, die Vielfalt innerhalb der Teams nicht nur zu tolerieren, sondern als wertvolle Ressource zu erkennen und zu nutzen. Sie müssen in der Lage sein, ein Umfeld zu schaffen, in dem Unterschiede gefeiert werden und jeder die Möglichkeit hat, seinen oder ihren Beitrag zu leisten und zu wachsen. Dies erfordert ein bewusstes Engagement und die Bereitschaft, auch unbequeme Gespräche zu führen und konstruktiv mit Konflikten umzugehen.
Letztlich geht es darum, DEI nicht als Checkbox zu behandeln, sondern als lebendigen und integralen Bestandteil der Unternehmensidentität. Führungskräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie sind es, die den Ton angeben, die Weichen stellen und durch ihr Beispiel inspirieren. Und wenn sie dies richtig machen, können sie eine Kultur schaffen, die nicht nur inklusiv und vielfältig ist, sondern auch resilienter, kreativer und letztlich erfolgreicher.
Danke für die Einblicke in die Arbeit von #HRespect, lieber Jess! Queb wünscht Euch auch weiterhin viel Zulauf und Erfolg bei Eurer Arbeit. Der Queb Bundesverband unterstützt Eure Initiative ja ebenfalls seit einigen Monaten. So findet sich unter vielen unserer Blog- und Podcast-Beiträgen Euer Logo. Ebenso setzen wir Euer Logo als Zeichen für unsere eigene Haltung zum Thema Rassismus auf unserer Startseite ein. Macht weiter so!
Dominik Bernauer ist Berater, Autor, Blogger und Ghostwriter.
Sein Themenspektrum erstreckt sich über diverse Bereiche wie, Employer Branding, HR, New Work, Digitalisierung, Medien, Marketing und Technologie.
Dominik unterstützt Unternehmen und Organisationen dabei, sich in diesen komplexen Feldern zurechtzufinden und ihre Ziele zu erreichen.