Mit ihrem ganzheitlichen Telekom New Recruiting Ansatz macht die Deutsche Telekom deutlich: Berufsorientierung ist ein roter Faden, der sich von der Bewerbung über die Ausbildung bis hin zur weiteren Karriereentwicklung spannt. Open Application ist das zugehörige Stichwort und Berufsorientierung steht für das Queb Mitglied Telekom im Mittelpunkt. Wie (gut) das funktioniert, wie der Online-Test Kandidaten einen maßgeschneiderten Beruf vorschlägt und wie Ihr den Open Application Ansatz möglicherweise auch bei Euch einsetzen könnt, erfahrt ihr im Interview.
Die Deutsche Telekom ist mit ihrem Projekt “New Recruting” Gewinner der Queb HR Innovation Awards 2024. Hier findest Du weitere Informationen über die Bewerber, Shortlister und Gewinner der Queb HR Innovation Awards.
Wir wünschen Euch viel Spaß und Inspiration!
Stellt Dich bitte kurz vor und beschreibe die Idee Eures Projektes!
Die Deutsche Telekom gehört mit rund 245 Millionen Mobilfunkkundinnen und -kunden, 25 Millionen Festnetz- und 21 Millionen Breitbandanschlüssen zu den führenden integrierten Telekommunikationsunternehmen weltweit. Sie ist in mehr als 50 Ländern vertreten. Im Geschäftsjahr 2022 verzeichnete das Unternehmen weltweit rund 206.800 Mitarbeitende sowie einen Umsatz von mehr als 114 Milliarden Euro.
Mit einer Gesamtzahl von voraussichtlich über 5.400 Auszubildenden und dual Studierenden im Ausbildungsjahr 2024/2025 gehört die Deutsche Telekom zu einem der größten Ausbilder Deutschlands.
Im Jahr 2024 stellt der Konzern rund 1.800 duale Ausbildungs- und Studienplätze an 35 Ausbildungsstandorten zur Verfügung. Neben über 1.200 Plätzen für Auszubildende in 10 Berufsbildern, bietet das Unternehmen fast 600 Plätze für duale Bachelorstudierende in 9 dualen Studiengängen an.
Als Leiterin der Nachwuchskräfteentwicklung verantwortet Marina Kuttig in ihrer Funktion die gesamte berufliche Ausbildung und das duale Studium im Konzern.
Mit unserem New Recruiting möchten wir junge Menschen in ihrer Berufsorientierung anhand innovativer Ansätze unterstützen und gemeinsam den passenden Berufseinstieg finden.
Was war der ausschlaggebende Grund für die Entwicklung New Recruiting bei der Telekom?
Aktuelle Studien zeigen, dass es der jungen Generation beim Berufseinstieg schwerfällt, ihre eigenen Interessen einem Beruf oder dualen Studiengang zuzuordnen. Sie suchen verstärkt nach beruflicher Orientierung. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend aufgrund mangelnder Berufsorientierungsmöglichkeiten weiter verstärkt. Dies führt vermehrt zu Ausbildungs- und Studienabbrüchen sowie Lücken in den Berufsbiografien, was die Nachfrage am Bewerbermarkt verringert und die Fachkräftesicherung zusätzlich erschwert.
Um langfristig den Fachkräftebedarf decken zu können, ist es für Unternehmen entscheidend, die junge Generation bei ihrer beruflichen Orientierung zu unterstützen und ihnen Sicherheit bei der Berufswahl zu geben. Dies erfordert ein neues Verständnis des Recruitings.
Wie genau unterstützt das neue Recruiting-Verfahren junge Menschen, die sich noch in der Berufsorientierungsphase befinden?
Bei Telekom Ausbildung haben wir die Berufsorientierung in unseren Auswahlprozess integriert. Mithilfe der Open Application ist es möglich, sich zu bewerben, ohne sich vorher für einen bestimmten Beruf oder Studiengang entscheiden zu müssen. Gemeinsam finden wir den Best-Fit – das bedeutet, wir schauen in unserem Auswahlverfahren auf die individuellen Stärken und Interessen und finden gemeinsam den passenden Berufseinstieg.
Dazu werden alle Bewerber*innen zunächst zu einem Onlinetest eingeladen, bei dem ihre individuellen Interessen, Stärken und Potenziale betrachtet werden. Die Testergebnisse stehen im Anschluss zur Verfügung, um bei der beruflichen Orientierung zu unterstützen. Im Interview werden dann gemeinsam die Testergebnisse betrachtet und der passende Ausbildungsberuf oder duale Studiengang bei der Telekom identifiziert.
Welche besonderen Herausforderungen seht Ihr bei der Ansprache und Integration der Zielgruppe der Absolventen und Schülern im Bewerbungsprozess?
Hier gibt es unterschiedliche Herausforderungen, wie zum Beispiel die Erreichbarkeit, Attraktivität oder Bindung. Was meine ich damit:
- Erreichbarkeit: Wir haben eine verstreute Zielgruppe. Die Absolvent*innen und Schüler*innen befinden sich an verschiedenen Standorten und nutzen unterschiedliche Kommunikationskanäle.
- Attraktivität: Auch auf dem Ausbildungsmarkt sprechen wir von Fachkräftemangel. Der Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs ist hart. Die Telekom hat einen hohen Bekanntheitsgrad, was aber nicht automatisch bedeutet, dass wir als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen werden.
- Bindung: Menschen, die frisch ins Berufsleben einsteigen, haben (verständlicherweise) noch keine starke Bindung ans Unternehmen und wechseln häufiger den Job als andere Mitarbeitergruppen.
Könnt Ihr etwas über die Umsetzung des Projektes verraten? Wie seid Ihr vorgegangen und was waren aus Eurer Sicht die größten Herausforderungen? Wie habt Ihr das Feedback der Zielgruppe und der Recruiter in die Entwicklung und Umsetzung des neuen Verfahrens integriert?
Wir sind im Herbst 2022 mit dem Projekt gestartet und haben uns intensiv mit dem Feedback der Zielgruppe und der Recruiter*innen der Telekom auseinandergesetzt. Dabei haben wir die Bewerbenden der Telekom aus dem letzten Auswahljahr befragt, um Informationen zur Zufriedenheit, Qualität und möglichen Verbesserungen des aktuellen Auswahlverfahrens zu erhalten. Basierend auf diesen Erkenntnissen und relevanten Studien haben wir Workshops mit all unseren Recruiter*innen durchgeführt, um an der Projektidee und Umsetzung zu arbeiten. Schließlich wurde das neue Auswahlverfahren 2023 mit einer umfassenden Kommunikation an alle relevanten Stakeholder eingeführt.
Könnt Ihr Beispiele nennen, wie die Beratung und individuelle Betreuung der jungen Talente im neuen Verfahren funktioniert und welche Erfolge Ihr damit erzielt habt?
Bei der Auswahl von Bewerbern betrachten wir das Gesamtbild. Das bedeutet, wir berücksichtigen die individuellen Interessen, Stärken und Potenziale der jungen Menschen. In einem persönlichen Gespräch möchten wir den Bewerbenden besser kennenlernen und gemeinsam den passenden Ausbildungsberuf oder dualen Studiengang bei der Telekom identifizieren. Darüber hinaus überprüfen wir mithilfe von Feedback aus dem zukünftigen Geschäftsbereich, welche Interessen der Kandidat mitbringen muss, um die Bedürfnisse von Angebot und Nachfrage bestmöglich zu erfüllen.
Welche positiven Effekte und Rückmeldungen habt Ihr seit der Einführung des neuen Verfahrens im Juni 2023 erhalten?
Mit der Einführung des neuen Auswahlverfahrens Ende Juni 2023 haben wir die „Open Application” für Ausbildungs- und duale Studienangebote ermöglicht. Dadurch haben wir jungen Menschen, die noch unsicher sind, die Möglichkeit gegeben, im Rahmen eines Auswahlverfahrens Orientierung zu erhalten und den für sie passenden Berufseinstieg zu finden.
Bis Januar 2024 haben über 15.700 Bewerber das neue Auswahlverfahren durchlaufen. Davon haben bereits 750 Bewerber die Chance der „Open Application” genutzt. Darüber hinaus konnten wir 360 Bewerbern aufgrund der Passungsempfehlung eine Zusage in einem anderen als ursprünglich gewünschten Beruf geben und somit durch gezielte Beratung die Weichen für eine erfolgreiche und zufriedene berufliche Zukunft stellen.
Auch die Zielgruppe bestätigt den Erfolg unseres neuen Auswahlverfahrens, da die jungen Menschen beeindruckt sind, wie der Onlinetest ihre Interessen erkennt und ihnen ihren maßgeschneiderten Beruf vorschlägt. Zudem konnten sie dank der Beratung ein Berufsbild finden, welches auf ihre Stärken abgestimmt ist. Für die jungen Menschen ist Berufsorientierung als Inklusivleistung somit ein echter Mehrwert und auch für uns als Unternehmen ein attraktives Alleinstellungsmerkmal sowie die richtige Konsequenz zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in Zeiten großer Orientierungslosigkeit.
Berufsorientierung endet für uns nicht mit der Auswahl, sondern wird zum festen Bestandteil der Begleitung über den gesamten Ausbildungs- und Studienverlauf.
Welche Tipps würdet Ihr anderen Unternehmen geben, die ebenfalls ein „Open Application“ Modell planen?
Seid mutig und offen für Veränderungen! Bindet die verschiedenen Interessengruppen ein, pflegt einen regen Austausch miteinander und arbeitet gemeinsam an einem gemeinsamen Verständnis und Plan.
Gibt es bei der Telekom Pläne, das neue Recruiting-Verfahren weiterzuentwickeln und an zukünftige Herausforderungen anzupassen?
Im Sommer des letzten Jahres sind wir mit dem Konzept gestartet. Es ist von großer Bedeutung, dass wir uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen. Kontinuierliches Feedback einzuholen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, ist entscheidend. Daher sind wir gespannt auf die Auswertung aller Rückmeldungen und freuen uns schon auf die Weiterentwicklung.
Vielen Dank für das Interview und die spannenden Insights. Wir wünschen Euch auch weiterhin viel Erfolg mit der Open Application und sind gespannt, ob auch andere Unternehmen Eurem Beispiel folgen!
Dieses Interview führte Dominik Bernauer
Dominik Bernauer ist Berater, Autor, Blogger und Ghostwriter. Sein Themenspektrum erstreckt sich über diverse Bereiche wie, Employer Branding, HR, New Work, Digitalisierung, Medien, Marketing und Technologie. Seit mehr als 15 Jahren unterstützt Dominik Unternehmen und Organisationen dabei, sich in diesen komplexen Themenfeldern zurechtzufinden und ihre Ziele zu erreichen.
Berufsorientierung im Recruiting ist ein Prozess, bei dem Unternehmen Bewerber dabei unterstützen, ihre individuellen Interessen und Stärken zu identifizieren, um den passenden Beruf oder Studiengang zu finden. Dies hilft, eine bessere Passung zwischen den Fähigkeiten der Bewerber und den Anforderungen der Position zu gewährleisten.
Der Open Application Ansatz ermöglicht es Bewerbern, sich ohne spezifische Stellenwahl bei einem Unternehmen zu bewerben. Stattdessen wird im Auswahlprozess gemeinsam mit dem Unternehmen der beste Berufseinstieg basierend auf den individuellen Fähigkeiten und Interessen der Bewerber ermittelt.
New Recruiting bezieht sich auf innovative Ansätze im Recruiting, die über traditionelle Methoden hinausgehen. Ziel ist es, Bewerbern durch maßgeschneiderte Berufsorientierung und flexible Bewerbungsprozesse den idealen Berufseinstieg zu ermöglichen, was die Passung und Zufriedenheit der neuen Mitarbeiter erhöht.
Best-Fit bezeichnet im Recruiting den Prozess, den am besten geeigneten Beruf oder Studiengang für einen Bewerber zu identifizieren. Dies basiert auf einer Analyse der individuellen Stärken, Interessen und Potenziale, um sicherzustellen, dass der Bewerber langfristig erfolgreich und zufrieden in seiner Rolle ist.
Die Integration von Feedback im Recruiting-Prozess ist entscheidend, um kontinuierliche Verbesserungen vorzunehmen. Durch das Sammeln von Rückmeldungen von Bewerbern und Recruitern können Unternehmen ihre Methoden anpassen, um die Effektivität des Recruiting-Prozesses zu erhöhen und die Zufriedenheit aller Beteiligten zu verbessern.