Gastbeitrag: Wie Testverfahren in der Personalauswahl die Candidate Experience verbessern

 

Anne Fyltura Gastbeitrag: Wie Testverfahren in der Personalauswahl die Candidate Experience verbessern

 

FYLTURA hilft Unternehmen dabei, mit Testverfahren die Candidate Experience zu verbessern und damit
Qualität und Passung von Kandidat:innen auf Basis von Daten zu optimieren. „Unbiased data-driven hiring“ lautet das passende Stichwort.

FYLTURA ist einer unserer insgesamt 57 Bewerber für die Queb HR Innovation Awards 2021 in der Kategorie Dienstleister.

Anne-Cathrin Becker, COO und Co-Founder von Fyltura (Bild oben), geht in ihrem Gastbeitrag darauf ein, wie Codingtests funktionieren und wie Testverfahren in der Personalauswahl die Candidate Experience verbessern.

Inhalt:

  • Personalauswahl mit Testverfahren
  • Leistungs- und Fähigkeitstest
  • Intelligenztest
  • Persönlichkeitstest
  • Fazit

Los geht´s!

Wie Testverfahren in der Personalauswahl die Candidate Experience verbessern

Die Forschung hat in den letzten Jahren verschiedene Testverfahren für Auswahlprozesse entwickelt. Diese Verfahren können die Leistungsfähigkeit von Bewerbern objektiv und verlässlich vorhersagen. Heute konzentrieren sich Personaler bei der Bewerberauswahl oft auf das Bauchgefühl auf Basis von Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgesprächen. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass CVs und Bauchgefühl die zukünftige Leistungsfähigkeit von Bewerbern nur begrenzt vorhersagen können (bspw. Schmidt & Hunter, 1998).

Darüber hinaus sind diese Methoden stark von der individuellen Wahrnehmung der Personaler abhängig. So werden, durch bewusste und unbewusste Voreingenommenheit, quasi automatisch irrelevante Merkmale wie Auftreten, Aussehen und Alter mit bewertet. Diese verzerren die Einschätzung der Kandidaten stark, da diese nicht prädiktiv für die spätere Leistung sind. Damit werden durch diese herkömmlichen Methoden zum Teil falsche oder gar unternehmensschädigende Entscheidungen getroffen.

Personalauswahl mit Testverfahren

Um die persönliche und fachliche Eignung von Kandidaten objektiver und verlässlicher zu erfassen, empfiehlt sich der Einsatz von wissenschaftlich abgesicherten Testverfahren. Aussagekräftige Instrumente geben eine gute Prognose in Bezug auf die spätere Berufsleistung und sind dazu ökonomisch und effizient im Hinblick auf die “Time to Hire”. Weiterhin wird die Candidate Journey dadurch positiv beeinflusst. Die Kandidaten merken, dass es dem Arbeitgeber nicht egal ist, wen er einstellt.

Leistungs- und Fähigkeitstest

Der Leis­tungs­test soll die Kon­zen­tra­ti­ons- und Leis­tungs­fä­hig­keit einer Person mes­sen. Zu den spezifischen Fähigkeitstests zählen Arbeitsproben. Eine Arbeitsprobe ist ein realistischer Auszug einer beruflichen Tätigkeit, die von Bewerbern ausgeführt wird. Arbeitsproben unterscheiden sich durch Realitätsbezug, Tätigkeitsnähe und Dauer. 

Um qualifizierte Kandidaten zu identifizieren, kann beispielsweise die fachliche Eignung von Softwareentwicklern mit einer Programmieraufgabe überprüft werden. Der Codingtest erfasst ein gutes Abbild der aktuellen fachlichen Leistungsfähigkeit und auch der Gewissenhaftigkeit eines Entwicklers. Dieses Testverfahren ermöglicht eine datenbasierte, fachliche Personalauswahl. Der Codingtest unterstützt Personaler darin, früh im Prozess die fachliche Eignung von Kandidaten einzuschätzen, ohne selbst Experte zu sein. Dadurch wird zeitig eine sachlich fundierte und objektive Personalauswahl getroffen. Selbst wenn sich ein Unternehmen schlussendlich gegen einen Bewerber entscheidet, hinterlässt dies bei den Kandidaten ein positives Gefühl in Verbindung mit der Arbeitgebermarke. Stichwort: Candidate Experience.

Die Bewertung dieses Testverfahrens erfolgt anhand vordefinierter Leistungskriterien. Die Aufgaben werden eindeutig gestellt und haben einen konkreten Bezug zur späteren Tätigkeit. Die korrekte Ausführung, einschließlich des Verständnisses der Instruktionen, lässt sich standardisiert, objektiv und leistungsgerecht bewerten. Seit über 20 Jahren ist bekannt, dass Arbeitsproben eine sehr hohe Aussagekraft über die künftige Arbeitsqualität und Gewissenhaftigkeit eines Kandidaten haben (Schmidt & Hunter, 1998, Schmidt, Oh & Shaffer 2016).

Von der Arbeitsprobe zu unterscheiden ist die Probearbeit. Bei vielen Unternehmen gehört ein Probearbeitstag zum Standard im Bewerbungsprozess.

Ein Probearbeitstag bietet nicht nur dem Unternehmen, sondern auch Kandidaten die Möglichkeit, die Chancen der Zusammenarbeit zu beurteilen und sich einen Eindruck vor Ort zu verschaffen.

Da eine Probearbeit jedoch Ressourcen bindet und recht kostenintensiv für ein Unternehmen ist, sollte dieses Verfahren nur ausgewählten Bewerbern ermöglicht werden und muss gut vorbereitet sein. 

Offline Codingtests können die üblichen Probetage in Unternehmen gut nachstellen und haben eine höhere Aussagekraft und Vergleichbarkeit. Die Akzeptanz von Codingtests ist bei den Kandidaten sehr hoch und deren Einsatz wird geschätzt.

Insgesamt ist also ein mehrstufiges Auswahlverfahren sinnvoll. Entscheidend ist, für Transparenz im Recruiting-Prozess zu sorgen. Eine Kommunikation auf Augenhöhe mit größtmöglicher Klarheit und Authentizität sorgt für Wertschätzung bei den Kandidaten. Ein mögliches Vorgehen könnte folgendermaßen aussehen.

 

Fyltura Idealer Workflow

Leistungs- und Fähigkeitstests sind gleichermaßen für Unternehmen und für Kandidaten nützlich. Während Unternehmen ihre Kandidaten auf deren Eignung für eine Stelle prüfen, erfahren Bewerber, ob ihnen gefällt, was sie tagtäglich für ein Unternehmen tun werden und können sich besser informiert für einen Job entscheiden.

Intelligenztest

Intelligenztests erfassen die Intelligenzstruktur einer Person in verschiedenen Bereichen, um einen allgemeinen Intelligenzquotienten (IQ) zu ermitteln. Diese Bereiche sind u.a. Sprachverständnis, logisches oder räumliches Denken. Dieser Wert wird im Vergleich zu einer repräsentativen Stichprobe betrachtet und zusätzlich an Alter und Geschlecht normiert. Das heißt der IQ einer Person steht im Vergleich zu Personen des gleichen Alters und Geschlechts.

Im Rahmen der Personalauswahl sind bestimmte Facetten der Intelligenz von Interesse – abhängig davon, welche konkreten Anforderungen ein Job an zukünftige Mitarbeiter stellt. Die Forschung hat gezeigt, dass Intelligenztests eine große Vorhersagekraft für den beruflichen Erfolg haben.

Zudem belegen Studien, dass der Intelligenztest bei Bewerbern akzeptiert ist. Sie schätzten die Messqualität derartiger Testverfahren als hoch ein. Allerdings wird häufig kritisiert, dass der Bezug zum späteren Job nicht klar erkennbar ist. Demnach sollten Recruiter darauf achten, berufsspezifische Anforderungen zu definieren: Für Ingenieure besteht zum Beispiel ein augenscheinlicher Bezug zwischen Job und Intelligenztest, wenn dieser räumliches Vorstellungsvermögen abfragt. Der Bezug besteht aber nicht, wenn diese Fähigkeit bei angehenden Bürokaufleuten überprüft wird.

Wie läuft so ein Test in der Regel ab? Kandidaten müssen innerhalb einer vorgegebenen Zeit eine Reihe von Aufgaben lösen. Die Aufgaben sind unterschiedlich, jede Art von Intelligenztest beinhaltet spezielle Varianten von Aufgaben. Auch die Gesamtdauer der Tests ist verschieden- ausführliche Tests nehmen 2 Stunden oder mehr in Anspruch. Da alle Intelligenztests unter Zeitdruck bearbeitet werden müssen, bleibt keine Zeit, um sich Tipps zu holen.

Abstrakte Intelligenztests funktionieren weitestgehend sprachfrei und sind kulturunabhängig, weshalb sie  sich besonders für internationale Auswahlprozesse anbieten. Das bedeutet aber auch, dass nur Teilbereiche der Intelligenz erfasst werden, wie z.B. visuell-räumliches Denken, Arbeitsgedächtnis oder Verarbeitungsgeschwindigkeit. Sprachverständnis wird in diesen Tests meistens nicht geprüft. Aus dem Grund muss hier insbesondere darauf geachtet werden, ob der Test den Anforderungen des Jobs entspricht.

Grundsätzlich sollten  Intelligenztests von geschultem Personal durchgeführt und ausgewertet werden. So gibt es z.B. schon Intelligenztests, die ein Kandidat von zu Hause am PC lösen kann. Allerdings kann hier natürlich nicht gewährleistet werden, dass der Kandidat diesen Test selber und korrekt ausführt. Zudem erfassen solche Tests häufig nur räumliche Verarbeitung und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Andere Facetten der Intelligenz können fast nur in einem 1:1 oder Gruppensetting vor Ort erfasst werden. Aus dem Grund sind Intelligenztests sehr aufwändig.

Unternehmen sollten nicht vor Intelligenztests zurückschrecken, aus Angst durch deren Einsatz geeignete Bewerber zu verlieren. Die Tests werden von Kandidaten anerkannt und der kognitive Leistungstest ist ein effizientes Werkzeug zur Vorhersage von beruflichem Erfolg.

Fyltura Team bei der Arbeit

 

Persönlichkeitstest

Zur Erfassung von Charaktereigenschaften, Zielen, Interessen und Verhaltensweisen von KandidatInnen dienen Persönlichkeitstests. Sie können auf verschiedenen Theorien basieren. Am bekanntesten ist das Modell der Big Five (Costa & McCrae, 1985). Nach diesem wird die Persönlichkeit auf fünf Dimensionen beschrieben: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit.

Nicht alle Eigenschaften sind zwingend entscheidend oder relevant für beruflichen Erfolg.  So sollte beispielsweise eine Krankenschwester besser bei den Facetten Offenheit und Verträglichkeit abschneiden, als ein Statiker, der beruflich weniger mit Menschen oder Veränderungen zu tun hat. 

Persönlichkeitsmerkmale sind ein Prädiktor für beruflichen Erfolg. Sie müssen aber abhängig von der Vakanz immer in Kombination mit weiteren geforderten Eigenschaften und Fähigkeiten gemessen werden, damit eine valide Erfolgsprognose gewährleistet ist.

Persönlichkeitstests sind natürlich nicht fälschungssicher und für gewöhnlich stellen sich Kandidaten besser dar, als sie es eigentlich sind. Allerdings gibt es zum einen Methoden, um die soziale Erwünschtheit zu erheben. Zum anderen ist es wichtig, Kandidaten die Relevanz korrekten Antwortverhaltens zu vermitteln. Mit Persönlichkeitstest kann nicht nur beruflicher Erfolg  vorhergesagt werden, sondern auch die Passung einer Person ins Team. Und letzte hat wiederum eine Auswirkung auf das Unternehmens-/Teamklima und dies wiederum auf die berufliche Leistung.

Persönlichkeitseigenschaften weisen einen messbaren Zusammenhang mit beruflichem Erfolg auf, denn sie beeinflussen das Verhalten einer Person auch im Berufsleben. 

Mit einem berufsbezogenen Persönlichkeitstests können gezielt Eigenschaften erhoben werden, die für eine vakante Stelle relevant sind. 

Der entscheidende Vorteil von Persönlichkeitstests ist, dass sie neben einem objektiven Eindruck auch eine effiziente Personalauswahl ermöglichen. Werden Persönlichkeitstest zusätzlich zu den oben genannten Verfahren eingesetzt, können sie das Bewerberbild abrunden und die Auswahl von nicht geeigneten Kandidaten verhindern.

Fazit

Viele Unternehmen sind heutzutage kritisch gegenüber Tests aufgrund ethischer Aspekte und der gesetzlichen Rahmenbestimmungen. Um aus der großen Vielfalt der Testverfahren seriöse und sinnvolle Angebote herausfiltern zu können, müssen zunächst die Qualitätsmerkmale beschrieben werden.  

Testverfahren sollten optimalerweise der DIN 33430 entsprechen. Nach dieser sollen  Vergleichsnormen aktuell und repräsentativ sein. Zudem ist es wichtig, dass vor Einsatz eines Testverfahrens geprüft wird, welche Aspekte von diesem wirklich relevant sind für die spätere Stelle und auch wirklich nur diese Facetten ausgewertet werden. Diese Vorgehensweisen sollten auch dem Kandidaten zurückgemeldet werden, um dessen Vertrauen in den Test und in das Unternehmen zu stärken.

Wird dies eingehalten, steht dem Einsatz von Testverfahren im Unternehmen nichts im Wege.

Es empfiehlt sich, Testverfahren vor einem persönlichen Vorstellungsgespräch durchzuführen. Ungeeignete Bewerber lassen sich so schon früh im Prozess erkennen. Ebenso können Elemente aus den Tests im Gespräch nochmal aufgegriffen werden.

Die am häufigsten verwendeten Testverfahren im Recruiting sind Arbeitsproben und Persönlichkeitstests. Diese Tests kombiniert, erfassen neben arbeitsrelevanten Kenntnissen und Fertigkeiten von Kandidaten auch deren persönliche Interessen und Verhaltensweisen, die höchstwahrscheinlich auch im Arbeitsalltag gezeigt werden. Der zusätzliche und ergänzende Einsatz von Testverfahren im Rahmen der Personalbeschaffung kann nützliche Dienste leisten. Tests können Informationen liefern, die das Gesamtbild eines Bewerbers ergänzen, bestätigen oder hinterfragen. Risiken können so verringert und der Erfolg des Unternehmens letztlich gesteigert werden.

Für ein effektives Recruiting spricht viel dafür, beherzter zu sein und aussagekräftige Instrumente in der Personalauswahl einzusetzen. Gute Bewerber sollten anspruchsvolle Auswahlverfahren nicht scheuen. Für Unternehmen, die attraktive Stellen besetzen wollen, gilt dies ohnehin.