Bericht zum 16. Zukunftskongress des 2b AHEAD ThinkTanks (Teil 2)
Zum 1. Teil des Berichts “Was bringt die Zukunft (für HR)?“
Gestartet ist Sven Gabor Janszky beim diesjährigen Zukunftskongress als Gastgeber mit der Bitte, dass die Mutigen die Krawatten ruhig ausziehen können: „Sie sind auch so toll“! Und genau so ist der ganze Kongress. Anders. Das Setting ist wirklich fantastisch. Gut, das Wetter hat grandios mitgespielt. Aber ein Kongress komplett draußen im Freien in einem Schlossgarten mit Loungeecken, Liegestühlen, einer Bar, vielen Stehtischen, verschiedenen Meetingareas – das hat schon was. Und auch die Teilnehmer sind irgendwie anders: sehr locker und zugänglich. Man kommt tatsächlich sehr leicht mit vielen verschiedenen Leuten aus den unterschiedlichsten Branchen, Unternehmen, Start up`s, Organisationen, etc. ins Gespräch. Die Dienstleister vor Ort wurden gebeten sich mit potenziellen Verkaufsgesprächen in den Pausen zurück zu halten – und daran wird sich auch gehalten. Die Formate sind extrem abwechslungsreich und insgesamt sehr interaktiv. Es gibt Keynotes, die nie länger als 30 Minuten sind. In zwei Tagen wurden so wenige Folien gezeigt, dass sie an zwei Händen abzählbar sind. Eine Frontalbeschallung ist praktisch nicht existent. Dafür gibt es – neben den Keynotes – Elevator Pitches, Panel-Zeiten, Diskussionsrunden, Business-Speed-Dating & mehr. Manchmal auch parallel. Die Kongresssprache switcht permanent zwischen Deutsch und Englisch. Manchmal wird auf Deutsch eine Frage gestellt und auf Englisch geantwortet, wobei die Teilnehmer aufgefordert wurden in ihrer jeweiligen Muttersprache zu sprechen. Simultanübersetzung ist – falls nötig – durch die Möglichkeit des Tragens von Kopfhörern gewährleistet.
Janszky als Gastgeber bezieht schon in seiner Einführung den ein oder anderen Speaker mit ein. Er startet mit der These, dass wir in 10 Jahren über keine Autos mehr sprechen, „die wird es zwar noch geben, aber nur noch als Teil einer ganzheitlichen Mobilität.“ Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung vollzieht sich immer rasanter. Treiber dieses exponentiellen Tempos ist die Digitalisierung. Dr. Will Seng, Senior Researcher von Rigetti Quantum Computing, die die Mission haben, den weltweit leistungsstärksten Computer zu bauen, prognostiziert zu Quantum Computing: „It could happen in 5 years, will propably happen in 10 years and will definitly happen in 20 years.“ Und Science-Fiction-Autor, Futurologe und Diplomphysiker, Dr. Karlheinz Steinmüller, ergänzt: „Das Jackett wird klüger als der Träger des Jacketts – deswegen habe ich keines an“ und, dass die semantische künstliche Intelligenz durch die Quantenphysik unmittelbar vor der Tür steht. Nikolaus Reuter, CEO der Etengo (Deutschland) AG, schließt als Personalberater für IT mit der Prognose: „Die klassische Festanstellung stirbt immer mehr aus. Zukünftig wird es immer mehr Freelancer geben. Agile Projekt- und Expertenteams sind die Zukunft im HR. Dieser Trend zu weniger Festanstellung und mehr Freelance Arbeit wird auch nicht von Frau Nahles zu stoppen sein.“
Es folgt das Business-Speed-Dating. Alle 15 Minuten werden die Stehtische getauscht, so dass man innerhalb kürzester Zeit mit vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch kommt. Ganz dem Zufall wird dabei die Auswahl der Stehtische nicht überlassen. Das Team von 2bAHEAD hat entscheidende Vorarbeit geleistet: die Namensschilder sind rückseitig mit verschieden farbigen Zahlenpunkten beklebt – sowohl die Zahl als auch die Farbe entscheiden jeweils an welchen Tisch man wechselt.
Die Scorecard für´s Zähneputzen
Die erste Keynote startet sodann mit Julian Wheatland, COO/CFO von Cambridge Analytica. Das sind die, die die Psychogramme von 220 Millionen Amerikanern errechneten und damit Trump zum Wahlsieg verholfen haben. Er präsentiert wie Big Data und Psychogramme genutzt werden können, um die Personalisierung von Marketing Kampagnen zu verbessern. So ist es heute für uns bereits normal, dass wir Anzeigen basierend auf unseren Online-Präferenzen (bspw. Bestellung bei Amazon oder Suche in Google) erhalten nach dem Motto „Personen, die das bestellten, interessierten sich auch für…“. In Zukunft aber werden diese Anzeigen auch durch Einstellungen, Lebensgewohnheiten, Werte und weitere uns eigene Verhaltensweisen geprägt sein. Es geht darum die „drivers of behavior“ zu verstehen, die in der Psyche und Persönlichkeit eines Menschen verankert sind.
Stephen Brobst, CTO TERADATA und als TOP4 unter den CTOs gerankt, spricht über das kulturelle und unternehmerische Skillset für die digitale Tranformation. „Do not hire skillsets, hire smart people. Hire people that care about learning more than skillsets. They won`t stay for more money – they will stay for solving interesting problems. Remember: the easy topic is, that you need the right tools; the difficult topic is the switch of leadership.“ Auf die Frage, warum wir in Deutschland kein Silicon Valley haben, antwortet er: „You don’t have Silicon Valley in Germany because you are afraid to fail”. Als anschauliches Beispiel für die digitale Transformation führt er die elektrische Zahnbürste an, die bislang ein langweiliges Produkt war, wobei Philips gleichzeitig nichts über seine Kunden wusste. Jetzt stelle man sich vor, diese Zahnbürste sammelt alle Informationen (wie oft wurde ich benutzt, wie lange und wie genau) in deiner Cloud und Du bekommst eine Art Scorecard. Ein Vorteil ist, dass Du Deine Kids abends zurück ins Bad schicken kannst, um die Zähne wirklich und richtig zu putzen – und nicht nur so zu tun als ob. Ein weiterer Vorteil ist, Philips erhält detailreiche Informationen über das Nutzungsverhalten seiner Kunden und kann entsprechend seine Produkte personalisierter anbieten. Die Disruption wäre komplett, wenn man am Ende nichts mehr für die Zahnbürste bezahlt, sondern für den Service an sich. Nach dem Motto: Google gibt seine free mail und wir geben unsere Daten. Fazit: in 10 Jahren bist Du Datenunternehmen oder auf dem Weg dorthin oder überflüssig.
Generell fällt im Laufe der Veranstaltung immer wieder von verschiedensten Rednern ein Satz: „The answer is the easy part, finding the question is the hard part.“ Das Ganze hat fast was Philosophisches.
Es folgt ein Vision Talk zu vier unterschiedlichen Themen, die jeweils in weniger als 8 Minuten von den unterschiedlichen Rednern kurz skizziert werden. Es geht um Blockchaining Work, API-Schnittstellen zu Banken, Echtzeit-Drohnen der Zukunft und Gehirnoptimierung.
Im Anschluss geht es um die Frage, wie sich Kundenanalysen und Marketing verändern, wenn die künstliche Intelligenz Einzug in unsere Haushalte hält. Dirk Reznik, CEO von Vorwerk Thermomix, berichtet über die Entwicklung des Thermomix vom analogen Küchengerät zum digitalen, smarten Porsche der Küche, der mit Internet, Kühlschrank und Co. kommuniziert und gleichzeitig dem Unternehmen Informationen über deren Nutzung (Was wird gekocht, wann wird gekocht, wer kocht, etc.) liefert, umso das Angebot immer effizienter an die Kundenwünsche anpassen zu können. Ethan Smith, Chief Growth Officer bei Yummly, der Food-Plattform prognostiziert ebenfalls, dass durch AI eine neue Dimension des Kundenservices erreicht werden wird.
Nach einem Elevator Pitch, zweiminütigen Vorträgen von Start up Unternehmern, folgt die Keynote von Michael Carl. Er spricht als Managing Director von 2b AHEAD über Predictive Politics.
Verkehr, Bots, Fleisch und das ewige Leben
In der sich anschließenden StrategieArena spricht zunächst Anna Kaiser, Founder und CEO von Tandemploy, über ihre Vision von kooperativer Führung. „Wenn wir richtig innovativ sein wollen, können wir ruhig auch das Konzept der Innovation innovieren.“ Frédéric Peyrot, Chief Operating Officer, Vibe/ AIR at en-japan, entwickelt eine Software, die Konversationen auf dem sozialen Netzwerk Slack analysiert und so die Gefühlslage der Mitarbeiter anzeigen kann. Er zeichnet auf, wie daraus die Führungsstrategien der Zukunft entstehen können. Gabriele Sommer, Global Head of Human Resources der TüV Süd AG, spricht schließlich über die zukünftige Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen.
Am Abend wird zunächst Bo Ewald, President von D-Wave Systems Inc., mit dem Innovations-Award ausgezeichnet. Laudator ist kein geringerer als Horst Zuse, Informatiker und Sohn des Erfinders des ersten binären Digitalrechners, Konrad Zuse. Horst Zuse hebt in seiner Laudatio an Bo Ewald den Mut hervor, State of the Art über Bord zu werfen und neue Methoden für bekannte Fragestellungen zu entwickeln wie Ewald im Bereich Quantencomputing. Alexander Rohr erhält für sein Projekt Lilian Lab den 2b AHEAD Future Award. Im Anschluss wird gegrillt und intensiv genetzwerkt.
Bo Ewald startet auch gleich am nächsten Tag den Kongress mit seiner Keynote darüber, wie die neuen Quantencomputer unsere Welt verändern werden. Der CIO von Volkswagen, Dr. Martin Hoffmann, berichtet sodann über deren erstes weltweites kommerzielles Quantencomputer-Projekt mit D-Wave Systems: während wir heute über Google Maps den Verkehrsstau in Echtzeit angezeigt bekommen, wird zukünftig angezeigt, wie die Verkehrslage in Zukunft, am Tag x zur Uhrzeit x auf der Autobahn sein wird. Hier werden sämtliche Informationen über Baustellen, Großveranstaltungen wie bspw. Fußballspiele und Konzerte u. v. m. einfließen. Verkehrsstaus werden so der Vergangenheit angehören, indem individuelle Routen die Fahrzeuge frühzeitig umlenken.
Es folgt ein Vision Talk. Mit dabei: Maddy Aufseeser, CEO und Co-Founder von Tender Armor. Sie wird als eine der größten Innovatoren der Bankenbranche angesehen und spricht über Predictive Payment Daten.
Und jetzt wird es wirklich spooky: Hossein Rahnama, CEO und Founder von Flybits. Er verspricht eine virtuelle Unsterblichkeit für knappe 10 $, indem er jedem Menschen seinen persönlichen Bot gibt, der auch nach dem Tod mit den Lieben weiter kommuniziert. “Ich will die Kluft zwischen Leben und Tod überwinden, indem ich von einer Person eine ewige digitale Präsenz schaffe.” Augmented Eternity nennt er das.
Und schließlich Pegor Papzian, CEO von Bazillion Beings, er referiert über die ersten digitalen Wesen, indem er eine Armada von Bots in die Welt bringt, die sich selbst finanzieren, bei anderen Bots Dienstleistungen einkaufen und damit zu Kunden und Arbeitgebern werden.
Und zuletzt: Ido Savir, CEO und Shir Friedman, CCO von SuperMeat, die aus einer echten Kuh im Labor künstliches Fleisch reproduziert haben. Die Fleischrevolution aus dem Labor und die Fleischherstellung der Zukunft.
In der folgenden StrategieArena spricht zunächst Lauri Oksanen, Vice President for Research and Technology von Nokia, als Cloudexperte darüber wie die Netzwerke der Zukunft aufgebaut sein müssen, um künstliche Intelligenz einfließen zu lassen. Lupo Pape, CEO der SemantivEdge GmbH, referiert als Experte für die Konzeption und Entwicklung von natural voice User Interfaces über deren Auswirkungen auf unsere Zukunft. Die Frage, die sich stellt: Hey Alexa oder auch ok Google, wie sieht es aus: haben wir in Zukunft überhaupt noch eine Tatstatur?
Dr. Randal Koene, Chief of Neuroscience & Systems Stratgey von Kernel, folgt mit seiner Keynote und der zentralen Aussage: „Live without Body will be possible“. Er prognostiziert im Prinzip das ewige Leben: indem wir unsere Gehirne uploaden, verbleiben wir noch lange nach unserem Tod in einer virtuellen Welt. Hierfür werden Mechanismen des menschlichen Gehirns in Programmiersprache übersetzt und auf einen Computer geladen. Mit einer solchen Kopie des Gehirns könnten Menschen in der virtuellen Welt theoretisch ewig weiter existieren.
In einer weiteren StrategieArena spricht eine sehr erfrischende Kate Devlin, Senior Lecture, Goldsmiths, University of London, über Artificial Sexuality. Sie prognostiziert, dass die Maschinen der Zukunft mit Hilfe künstlicher Intelligenz Gefühle und ein eigenes Bewusstsein entwickeln werden. Sex mit Maschinen wird nur ein Ergebnis sein. Maria Ritola, Co-Founder von Iris.ai, stellt Iris als die wissenschaftliche Mitarbeiterin von morgen vor. Iris ist eine künstliche Intelligenz und strebt nach einer großen Karriere. Angenommen wir lesen im Durchschnitt pro Woche ein Buch. Dann sind das in einem durchschnittlichen Leben knappe 4000 Bücher, die ein Mensch liest. Das schafft Iris in wenigen Tagen. Was ein Potenzial.
Als Abschlusskeynote referiert Alan Ho, Business Development von Google AI Quantum Laboratory, über Googles Erfahrung bei der Entwicklung von Quantenapplikationen, deren Tücken und Möglichkeiten.
Übrigens: in den Pausen wird diametral zu den hoch innovativen Kongressthemen Retro-Eis Namens „Fingerlutscher“ der Marke Langnese verteilt. Einige Teilnehmer munkeln, dass sich in dem Eis ein Chip versteckt und wir später gesagt bekommen, dass sie unsere Gehirne erfolgreich übernommen haben…
Fazit
Digitalisierung war gestern – Quantencomputer ist heute. Seine Rechenleistung wird alles Bisherige übertreffen. Er wird in der Lage sein, so komplexe Dinge wie die Zukunft zu berechnen und entsprechende Vorhersagen zu treffen. Algorithmenexperten bei Google, Watson-Entwickler bei IBM und Kryptographiegenies bei der NSA, die Visionäre der Post-Digitalisierung, widmen sich dieser Technologie und befinden sich derzeit im Wettstreit um deren Verwirklichung.
Digitalisierung war gestern – Predicitve Systems/ Big Data Analysis sind heute. Es entsteht ein neues Verständnis von Datenerhebung, -analyse und -auswertung. Wenn alle Prozesse und Reaktionen auf Echtzeit optimiert sind, ist der nächste Schritt schneller als Echtzeit. Unvorstellbare Mengen an Daten sind in kürzester Zeit darstellbar, auswertbar und einsetzbar. Unsere Lebenswelten werden sich durch deren Einsatz massiv verändern. Werde ein Datenunternehmen oder du wirst verschwinden. Daten sind Gold.
Digitalisierung war gestern – AI (=Artificial Intelligence)/ Künstliche Intelligenz & Bots/ Chatbots sind heute. Maschinen werden immer mehr Aufgaben übernehmen. Sie werden selbständig Transaktionen mit anderen Bots tätigen und als digitale Kopien unserer selbst existieren. Was tut der Mensch, wenn er zur zweitintelligentesten Spezies der Welt geworden ist? Welche Zukunft hat das menschliche Leben, sobald Computer intelligenter als der Mensch werden? In diesem Zusammenhang stehen viele ethische Fragen im Raum, die es zu beantworten gilt.
Fazit des Fazits
Aufzuhalten ist das Unvorhersehbare sowieso nicht mehr. Es gewinnt, wer diese Entwicklung als Chance sehen kann. Es gilt Muster zu brechen. Mutig sein. Querdenken. Freiräume schaffen. Kein: „ja, aber“ und kein „eigentlich“. Machen. Nach vorne. Ohne Angst. Das scheint die einzige Chance, denn: morgen ist fast schon heute!