Der Stand der Umsetzung der Reform an den Hochschulen

Hanau, 31. August 2007.

Der dapm – ein Zusammenschluss der größten Arbeitgeber in Deutschland –kritisiert die zum Teil immer noch mangelhafte Umstellung der Studiengänge auf Bachelor / Master im Rahmen des Bologna Prozesses. Während viele Hochschulen bereits exzellent auf den gemeinsamen europäischen Hochschulraum vorbereitet sind, wurden andernorts Defizite und Verbesserungspotenziale in der Praxis festgestellt, die für die Studierenden wie auch die Wirtschaft gleichermaßen relevant sind. Die Hochschulen sind aufgefordert, die folgenden Mängel zu beseitigen, die Unternehmen bieten ihrerseits hierzu Unterstützung an.

1. Neue Studiengänge – neue Definitionen

Der Bologna-Prozess schafft einen neuen europäischen Hochschulraum. Die neuen Studienabschlüsse können nicht direkt in die Kategorien der alten Systeme übersetzt werden, denn dies würde zu Fehlinterpretationen führen. (Ein häufig gehörtes Negativ-Beispiel: “Der Bachelor entspricht dem Vor-Diplom.”).

Ist-Situation: In einigen Fällen wurden die alten“ Studiengänge lediglich in die zwei Teile Bachelor und Master geteilt, ohne konsequent inhaltlich und strukturell (z.B. Modularisierung) die Chancen der Reform wahrzunehmen. Selbst Begriffe wie Grund- oder Hauptstudium, Vordiplom etc. werden beibehalten, statt Begriffe der neuen Struktur zu nutzen. Im Umkehrschluss entsteht allerdings auch durch die bloße Verwendung der neuen Begrifflichkeiten noch kein neuer, Bologna-konformer Studiengang. Auch die Unternehmen tragen durch ihr Klammern an alten Definitionen – beispielsweise bezüglich Einstellungskriterien und Vergütungsstrukturen zur zögerlichen Akzeptanz der neuen Studiengänge bei.

Aufforderung: Hochschulen und Unternehmen sind gleichermaßen aufgefordert, die neuen Definitionen des Bologna-Prozesses zu benutzen. Hochschulen müssen ihre Studiengänge zudem auch konsequent in Inhalten und Strukturen modernisieren. Dies gilt auch und insbesondere für die sog. MINT Studiengänge (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) Die Unternehmen müssen zusätzlich ihre Einstiegs- und Entwicklungswege sowie ihre Vergütungsstrukturen an die neuen Studiengänge anpassen.

2. Berufsbefähigung (Employability)

Fachkompetenz, Methoden- und Sozialkompetenz sowie Internationalität und Praxisbezug sind unabdingbare Elemente eines Studiums, das Absolventen fit für den Arbeitsmarkt macht.

Ist-Situation: Lange nicht alle Hochschulen haben die Vermittlung der fünf genannten Employability-Kompetenzen in ihren neuen Studiengängen ausreichend umgesetzt. Zudem sind gerade Methoden- und Sozialkompetenzen häufig nicht in die Module integriert. Dabei können und müssen gerade diese Kompetenzen durch ständige Anwendung trainiert werden – im Studium wie im Berufsleben. Wenn sie sich konsequent in allen Lern- und Prüfungsformen des Studiums niederschlagen, schafft dieser Aspekt des Bolognaprozesses einen wirklichen Mehrwert für alle Beteiligten.

Aufforderung: Der Erwerb der genannten Employability-Kompetenzen ist konsequent (methodisch und inhaltlich) in die neuen Studiengänge zu integrieren.

3. Praxisbezug

Für die Unternehmen ist Praxisbezug der Studierenden zentraler Bestandteil des Bologna-Prozesses. Die Verkürzung der Studienzeiten, insbesondere beim Bachelor, erfordern neue Modelle, den Praxisbezug in das Studienmodell zu integrieren.

Ist-Situation: Unternehmen und Hochschulen beklagen, dass Praktika bisheriger Länge mit der Struktur des Bachelor- und Masterstudiums nur schwer vereinbar sind.

Aufforderung: Die Hochschulen sollen sicherstellen, dass der geforderte Praxisbezug insbesondere durch Praktika in ausreichender Länge auch im Rahmen von straffer strukturierten Studiengängen ermöglicht wird. Die Unternehmen sind aufgefordert neue Modelle zu entwickeln (z. B. Abendpraktikum, Praxisprogramme), um den nötigen Praxisbezug zu vermitteln.

4. Akkreditierung

Die Qualitätssicherung ist wichtiges Element im Bologna-Prozess und wird u. a. durch die Akkreditierung von Programmen und Prozessen gewährleistet.

Ist-Situation: Die aktuell sehr hohe Zahl von (noch) nicht akkreditierten Studiengängen schafft Unsicherheit bei Studierenden, Unternehmen sowie in der Öffentlichkeit und schwächt die Akzeptanz der Hochschulstrukturreform. Auch die unterschiedlichen Bewertungsprozesse der Akkreditierungsagenturen führen zu einer Schwächung der Qualitätssicherung. Nach wie vor ist die Wirtschaft unterrepräsentiert in den Akkreditierungsagenturen, obwohl ja gerade die Berufsbefähigung ein wichtiges Qualitätskriterium für die Studiengänge sein sollte.

Aufforderung: Die Akkreditierungsagenturen sind aufgefordert, ihre Prozesse und Qualitätskriterien zu verbessern und zu vereinheitlichen. . Es müssen dringend verbindliche Qualitätskriterien definiert werden, die über den Mindeststandard hinaus gehen und die von allen Akkreditierungsagenturen einheitlich angewandt werden. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Akkreditierungsrat ein einheitliches Qualitätsprofil festlegt, an dessen Kriterien sich jeder neue Studiengang messen lassen muss. In der Konsequenz müssten auch die Qualitätsprofile von akkreditierten Studiengängen veröffentlicht werden. Dies könnte endlich zu mehr Transparenz für Studieninteressierte und Arbeitgeber führen. Wirtschaftliche Erwägungen dürfen nicht zu einem Durchwinken“ von Studiengängen führen. Die Ergebnisse der Akkreditierung und Nicht-Akkreditierung sind zu veröffentlichen. Alle Hochschulen sind aufgefordert, ihre Programme bzw. Prozesse akkreditieren zu lassen.

5. Diploma Supplement (DS)

Das Diploma Supplement soll generell für alle Absolventen zusammen mit dem Zeugnis gemäß Mustervorlage der HRK vergeben werden.

Ist-Situation: Vielfach wird das DS nicht oder mit unterschiedlichem Aufbau vergeben, so dass die Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit für die Unternehmen im Rekrutierungsprozess verloren gehen.

Aufforderung: Für alle Bachelor- und Master-Studiengänge ist ein DS nach einheitlichen Kriterien (HRK) zu erstellen.

6. ECTS Note

Ein wesentliches Ziel der Bologna Erklärung ist es, ein einheitliches, transparentes Leistungspunktesystem in den europäischen Ländern einzuführen. Die ECTS Note soll daher für alle Prüfungen vergeben werden. Dies gilt insbesondere für die Abschlussnoten.

Ist-Situation: Vielfach wird die ECTS Note, die Aufschluss über das relative Abschneiden eines Studenten im Vergleich zu seinen Mitstudenten gibt, überhaupt nicht oder falsch vergeben (indem bspw. ein A = Note 1 gesetzt wird, statt A= unter den besten 10% des jeweiligen Jahrgangs). Die für die Unternehmen wichtige Transparenz, die besten Studierenden eines Jahrgangs zu identifizieren, ist so nicht gegeben.

Aufforderung: In allen Bachelor- und Masterstudiengängen werden ab sofort ECTS-Noten für alle Prüfungsleistungen gemäß den ECTS-Standards vergeben.