Viele Bewerber richten ihren Blick bei der Wahl möglicher Arbeitgeber auf die großen und bekannten (Dax-)Konzerne. Dabei hat der Arbeitsmarkt abseits dieser prominenten Unternehmen noch viel mehr zu bieten. So kam das Institut für Mittelstandsforschung Bonn zu dem Schluss, dass im Jahr 2006 über 95% aller deutschen Unternehmen Familienunternehmen waren. Das Portal „Karriere im Familienunternehmen“ trägt dieser Tatsache Rechnung. Wir haben mit dem Gesamtverantwortlichen des Portals, Stefan Klemm, über das Portal, die Unterschiede zwischen Familienunternehmen und Groß-Konzernen und die Bedeutung von Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting gesprochen.
Queb: Woher kam die Idee ein eigenes Portal für Familienunternehmen zu gründen und seit wann gibt es das Portal?
„Karriere im Familienunternehmen“ haben wir 2012 offiziell gestartet. Wir beschäftigen uns schon seit 8 Jahren mit den Besonderheiten des Karriereumfelds speziell in Familienunternehmen. Daher hatten wir 2006 den „Karrieretag Familienunternehmen“ aus der Taufe gehoben, um attraktive Familienunternehmen auch „auf den Schirm“ von Fach- und Führungskräften zu holen, die sich bis dato eher an den „großen Marken“ auf dem Arbeitsmarkt orientiert haben. Vielen Akademikern, insbesondere wenn sie an Seniorität gewinnen, kommt das Arbeitsumfeld dort stärker entgegen. Anders als beim Karrieretag Familienunternehmen, wo der Kontakt persönlich aber auf eine Veranstaltung konzentriert stattfindet, bietet www.karriere-familienunternehmen.de die Möglichkeit, sich 24/7 zu informieren.
Queb: Sie vergeben auf Ihrer Seite das Marken-Siegel „Karriere im Familienunternehmen“. Welche Bedeutung hat das Siegel und für welche Unternehmen wird es vergeben?
Das Marken-Siegel „Karriere im Familienunternehmen“ dient als Erkennungszeichen für Interessenten. Alle Familienunternehmen, die dieses Siegel führen, sind uns teils schon Jahre persönlich bekannt und wir empfehlen diese Familienunternehmen aus Überzeugung als attraktive Arbeitgeber mit den typischen Attributen eines Familienunternehmens als Arbeitgeber. Wichtig zu bemerken ist, dass fast alle angeschlossenen Unternehmen per Definition Großunternehmen sind. Die allermeisten erzielen einen Jahresumsatz von mindestens 300 Mio. Euro, teils bis zu mehreren Milliarden und beschäftigen bis zu 10.000 Mitarbeiter. Dennoch sind sie in puncto Nachhaltigkeit, Werteorientierung und Einfluss der Inhaberfamilie eben Familienunternehmen.
Queb: Was unterscheidet Ihrer Meinung nach das Employer Branding mittelständischer Familienunternehmen von dem großer Konzerne und wie macht sich das bemerkbar?
Das Employer Branding von Familienunternehmen kann natürlich die dem Typus eingeborenen Eigenschaften wie Präsenz der Familie, nachhaltiges Unternehmertum und das sprichwörtliche „Denken in Generationen“ anstatt Quartalen beim Employer Branding ausspielen. Da diese Unternehmen häufig Nischen besetzen und den Weltmarkt für eine Produktgattung beherrschen, kann das Produkt eine wichtige Rolle spielen. Ebenso die häufig vorhandenen und guten Nachwuchstalenten meist viel leichter zugänglichen internationalen Einsatzmöglichkeiten oder die Nähe zur Unternehmensleitung bei strategischen Positionen aufgrund flacherer Hierarchiestrukturen, kann betont werden.
Queb: Welchen besonderen Personalbedarf und welche Herausforderungen in Bezug auf das Personal haben Familienunternehmen?
In Bezug auf die Funktionen und zu besetzenden Stellen gibt es in Familienunternehmen keine signifikanten Unterschiede. In Puncto charakterliche Prägung der gesuchten Mitarbeiter hingegen schon. Im Familienunternehmen kommt es neben der fachlichen Qualifikation darauf an, dass auch das Werte-Set des Unternehmens und im Prinzip der Inhaberfamilie geteilt wird. Ordentliche Kaufmannschaft, klassische unternehmerische Tugenden, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Blick auf den langfristigen Erfolg zählen hier. Die eigene Leistung steht mehr im Mittelpunkt und jeder Mitarbeiter wird stärker wahrgenommen und gesehen. Bei leistungsbereiten Mitarbeitern führt das regelmäßig dazu, dass eine schnelle Karriereentwicklung auch außerhalb starrer Strukturen möglich ist. Für leistungsschwache Mitarbeiter ist allerdings auch die Möglichkeit, sich „wegzuducken“ und „unter dem Radarschirm mitzuschwimmen“ weniger gegeben.
Queb: Was unterscheidet Ihrer Meinung nach die Arbeit bzw. Arbeitsplätze in Familienunternehmen von denen in großen Unternehmen?
Neben den schon genannten, haben unsere wissenschaftlichen Untersuchungen mit dem Wittener Institut für Familienunternehmen sowie der TU München ergeben, dass Faktoren wie „Eigenverantwortung“, „flache Hierarchien“ und „schnelle Karrieremöglichkeiten“ zu den prägenden Attributen gehören, die sich gegenüber Nicht-Familienunternehmen am stärksten ausgeprägt zeigen. Gerade auch für weibliche Führungskräfte bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber besonders ausschlaggebende Faktoren, wie das „Arbeitsklima“ und „Kollegenumfeld“, sind nach diesen Erkenntnissen im Familienunternehmen deutlich positiver ausgeprägt.
Queb: Viele Konzerne suchen derzeit nach Möglichkeiten Talente schon anzusprechen bevor der eigentliche Bedarf überhaupt entsteht. Welche Rolle spielt das Talent Relationship Management für Familienunternehmen?
In diesen Bereichen sind die Familienunternehmen meist noch etwas zurückhaltender. Überhaupt hat gerade in den letzten Jahren bei den Familienunternehmen ein Umdenken stattgefunden, sich in der Kommunikation stärker zu öffnen und innovative Wege zu gehen. Hier war man klassisch zurückhaltend – auch im Employer Branding oder etwa bei strategischen Personal-Marketing- und Recruiting-Maßnahmen. Über die bisher 11 durchgeführten „Karrieretage Familienunternehmen“ verfügen wir über einen Pool von über 5.000 persönlich vorausgewählten Fach- und Führungskräften, die wir für unsere Kunden im Sinne eines „Talent Relationship Management“ zunehmend binden und auch unterjährig „one on one“ matchen können.
Queb: Das Portal bietet den Mitgliedsunternehmen die Möglichkeit, optional ein Video über sich selbst zu veröffentlichen. Wie sehen Sie selbst den aktuellen Trend zur Verwendung von Videos im Employer Branding und Recruiting?
Videos sind das absolut geeignete Medium, sich als Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt darzustellen. Besonders interessant für Familienunternehmen, da der Unternehmer selbst diesen einzigartigen Kanal nutzen kann, seine inhaltlichen aber vor allem auch non-verbalen Botschaften direkt beim möglichen neuen Mitarbeiter zu adressieren. 10 Sekunden O-Ton eines Familienunternehmers geben in Bezug auf Werte und zu erwartendes Arbeitsklima oft mehr Aufschluss als 10 Seiten Text, wo versucht werden muss, ein „Bauchgefühl“ in abstrakte Worte zu packen. Auch ist in 2-3 Minuten ein unterhaltsamer, spannender und mitreißender Überblick über ein Unternehmen zu geben, wie es klassisch in Print oder über text-basierte Internet-Seiten so komprimiert niemals möglich war. Zudem erzielt man mit dem Medium „Video“ eine deutlich verbesserte Erreichbarkeit der Zielgruppe. Ist es nicht attraktiver, sich am Sonntag Nachmittag am Badestrand auf einem modernen Device HD Videos von Familienunternehmen anzusehen, als sich mühsam durch text-basierte Internet-Seiten zu klicken?
Queb: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Familienunternehmen im War for Talent?
Die Diskussion über ausufernde Boni für Manager bestimmter Branchen, die zum Schaden der Allgemeinheit und von Anlegern Milliardensummen „verbrannt“ haben, unappetitliche Übertreibungen bis hin zu Veruntreuung und Bestechung in anonymen Publikumsgesellschaften, wo ja in aller Regel nicht eine derartige starke Ethik des nachhaltigen Wirtschaftens gegeben ist wie im Familienunternehmen, haben schon eine deutliche Trend-Wende in der Attraktivität von Familienunternehmen als Arbeitgeber bewirkt. Auch die aktuelle Besinnung auf Nachhaltigkeit allgemein und auch unternehmerisches Handeln, was sich nicht rein an der puren kurzfristigen Gewinnmaximierung ausrichtet, sondern durchaus auch einen dem Gemeinwohl dienenden Aspekt und Unternehmenserhalt über Generationen hinweg beinhaltet wird den Familienunternehmen auf dem Arbeitsmarkt weiter Aufwind geben.
Queb: Welche Entwicklungen sind in Bezug auf das Portal geplant?
Wir überlegen, optional auch Firmenprofile auf englisch anzubieten, da wir bemerken, dass die „Karriere im deutschen Familienunternehmen“ für zukunftsorientierte, ausländische Absolventen und Fachkräfte hoch-attraktiv ist. Noch mehr als im Inland, genießen die deutschen Familienunternehmen im Ausland einen exzellenten Ruf. Da die Familienunternehmen meist in der ganzen Welt aktiv sind, könnte hierin eine spannende Chance liegen.
Vielen Dank für das Interview!