Neue Technologien schreiten immer weiter und schneller voran — das gilt auch für den Recruiting-Bereich. Personaler stehen dem Recruiting 4.0 gegenübergestellt und dürfen sich über neue Tools und digitale Hilfsmittel freuen. Oder sollten sie sich eher davor fürchten? Sogenannte Bots machen dem Menschen die Arbeit strittig — diese Befürchtung ist zumindest aus zahlreichen Gesprächen mit Recruitern herauszuhören. Ist das begründet oder nicht?
Was ihr in diesem Beitrag erfahrt:
- Was sind Bots?
- Wofür Bots im Recruiting eingesetzt werden können
- Vorteile und Grenzen von Bots
- Welche Unternehmen setzen Bots im HR schon ein?
- Was Bots in Zukunft leisten werden
- Wer hat Angst vor Bots und was kommt danach?
Was sind Bots überhaupt?
Oft wird der Begriff mit dem Bild eines echten Roboters, der menschlich agiert und ebenso menschlich aussieht, verbunden. Der Bot ist allerdings eher so etwas wie der Kern des Roboters. Wenn wir alle greifbaren Komponenten unseres Bildes entfernen, sehen wir, was übrig bleibt: ein Algorithmus, eine automatisierte Softwareanwendung, die in der Lage ist bestimmte Dienst automatisch zu erbringen. Ein Bot wird nicht vom Menschen gesteuert, sondern vom Menschen geschaffen, um für ihn bestimmte Arbeiten vollständig zu übernehmen oder sie zumindest zu erleichtern.
Bots können verschiedene Aufgaben erfüllen: Im Internet werden sie von Suchmaschinen als sogenannte Crawler eingesetzt, um Inhalte zu sammeln, analysieren und indexieren. In Computerspielen treten sie häufig als Gegner mit künstlicher Intelligenz auf oder werden genutzt, um wiederkehrende Abläufe zu automatisieren. Außerdem sind sie in den letzten Jahren immer häufiger durch die Verbreitung von Schadsoftware oder Spam bekannt geworden. Wir alle kennen Bots im weitesten Sinne aber auch in Form von Sprachassistenten — Cortana von Microsoft, Siri von Apple, Assistant von Google, Alexa von Amazon oder Bixby von Samsung sind die bekanntesten Vertreter. Chat-Apps wie WeChat werden in Ländern wie China bereits seit einiger Zeit wie selbstverständlich genutzt. Reisen buchen, Essen oder das Taxi bestellen, Langeweile mit Spielen vertreiben, Termine koordinieren sind nur einige wenige Beispiele, wofür aktuelle Technologien bereits eingesetzt werden.
Und dann gibt es schließlich auch Recruiting-Chatbots, mit denen wir uns in diesen Artikel befassen.
Bots im Recruiting
Diese virtuellen Gesprächspartner kommunizieren mit Nutzern und können dabei auf große Datenmengen — Stichwort Big Data — zurückgreifen und sie auswerten, um auf Nachrichten und Fragen zu antworten. Mittlerweile werden Chatbots für den HR-Bereich und insbesondere im Recruiting ein immer relevanteres Thema. Chatbots gibt es nicht erst seit heute — bereits vor etlichen Jahren verwendete IKEA den Chatbot „Anna“. Auf der Seite https://www.chatbots.org/ gibt es eine Übersicht, die noch viel weiter zurückreicht!
Doch während Nutzen und Funktionsumfang dieser Bots zu Zeiten Annas noch relativ eingeschränkt war, ist die Technologie 2017 bereits deutlich fortgeschrittener und wird auch in Zukunft immer mehrMöglichkeiten bieten. Machine Learning und künstliche Intelligenz sind hier ausschlaggebend für kommende Entwicklungen.
Facebook legt den Grundstein für eine rasante Entwicklung
Seit Facebook den eigenen Messenger im April 2016 für Bots öffnete, erleben die virtuellen
Gesprächspartner einen massiven Aufschwung. Mittlerweile verwenden tausende Entwickler und Seiten die Facebook-Schnittstelle. Die Grundlage — im Fachjargon „Engine“ — für diese Bots nennt sich „wit.ai“. Der „Job
mehappy Job Bot“, ein unternehmensunabhängiges Projekt, griff die Technologie früh auf und hilft Nutzern bei der Suche nach individuell passenden Stellenangeboten, um nur ein Beispiel zu nennen. Das Ganze funktioniert über ein Chatfenster des Facebook Messengers. Der Nutzer erhält den Eindruck, mit einer realen Person zu kommunizieren. Tatsächlich sitzt auf der anderen Seite aber eben kein Mensch, sondern ein Roboter.
Was können Bots im Bereich Recruiting leisten?
Mittlerweile haben auch Unternehmen und deren HR-Abteilungen den Nutzen der Technologie erkannt. Ähnlich der Lösung von Jobmehappy (s.o.) suchen Chatbots nach individuellen Stellenangeboten. Bei Unternehmen sind das zumeist offene Stellen aus dem eigenen Unternehmen. Auch bei der Analyse von Bewerbungen können Bots durchaus von Vorteil sein und eine Vorauswahl treffen.
Weiterhin sind Bots in der Lage, sämtliche Fragen zu beantworten, für deren Antworten sie auf entsprechende Daten(-banken) zugreifen können. So können auch Fragen zu Bewerbungsverfahren, Leistungen des Unternehmens oder seiner Historie beantworten. Sie könnten Kontaktdaten aufnehmen oder vermitteln oder wenn gewünscht mit Scherzfragen und –antworten den Sinn für Humor der Entwickler vermitteln. 😉
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wobei sich Funktionsbandbreite am Zweck der Sache orientieren sollte. Viele Möglichkeiten werden im HR womöglich ihre Grenzen auch beim Thema Datenschutz finden. Denn nicht alles, was theoretisch möglich umsetzbar ist, ist auch sinnvoll oder erlaubt.
Vorteile von Bots
Doch wobei können Bots den Unternehmen im Recruiting konkret helfen?
Der größte Vorteil eines Chatbots liegt in der Bearbeitung und Annahme von Bewerberanfragen. Mitarbeiter müssen sich nicht um jede einzelne Nachricht eines Nutzers kümmern, vielmehr werden repetitive Fragen mit standardisierten Antworten von der Software übernommen. Den Mitarbeitern wird dadurch zeitaufwändige Arbeit abgenommen und dem Unternehmen teure Arbeitsstunden.
Schnelligkeit ist der zweite große Vorteil. Denn während der Mensch nicht durchgehend verfügbar ist und manchmal Stunden vergehen, bis eine Anfrage bearbeitet wird, reagiert der Chatbot in Sekundenschnelle — zu jeder Uhrzeit.
Manche Bots sind bereits in der Lage, offene Stellen nach Priorität im Unternehmen zu sortieren — „IRIS“ von IBM gehört hier zu den fortschrittlichsten Technologien. Die Software analysiert Marktstrukturen und -entwicklungen, errechnet einen „Fitscore“ und vergleicht die News-Lage des eigenen Unternehmens mit der von anderen. Machine Learning — also eigenständiges Lernen der Software — sorgt für immer bessere Ergebnisse und ist daher auch für die Zukunft der Technologie ein sehr relevanter Aspekt.
Insgesamt sind Bots auch aufgrund der Vorteile textueller gegenüber verbaler Anweisungen in der Lage, die Candidate Experience positiv zu beeinflussen. Das führte Persoblogger Stefan Scheller bereits 2016 an. Natürlich nur, sofern der Chatbot auch gut funktioniert.
Nach dem Eingang einer Bewerbung geht es an die Auswertung. In Zukunft können Bots dem Menschen auch hier vermehrt unter die Arme greifen. Matching und CV-Parsing werden zwar heute schon eingesetzt, flächendeckende Lösungen mit nahtlos ineinander übergreifenden Schnittstellen sind aber eher selten der Fall.
Durch die genaue Analyse von Bewerbungen ist Software in der Lage — falls gewünscht — eine erste Auswahl geeigneter Bewerber zu treffen. Unter Berücksichtigung von Zusammenhängen — beispielsweise Widersprüchen im Lebenslauf und Anschreiben — können Bewerbungen aussortiert und nur vermeintlich geeignete Kandidaten an den menschlichen Recruiter weitergeleitet werden.
Bots und ihre Grenzen
Klingt gut, oder? Doch die Medaille hat natürlich wie immer zwei Seiten.
Es wird noch eine Weile dauern, bis die Software auf Augenhöhe mit dem Menschen, beziehungsweise wirklich menschlich kommuniziert. Noch fehlt es den Chatbots an Intelligenz — künstlicher Intelligenz. Vielmehr basieren die Antworten und Aussagen auf vorgegebenen Skripten mit Schleifen, falls die Nachricht des Nutzers mal nicht verstanden werden sollte. Komplexe Fragen oder individuelle Situationen können häufig nicht korrekt erfasst werden. Oftmals resultieren daraus recht steife Konversationen oder Fehlentscheidungen. Nicht jede Person, die den Bot „bemerkt“, findet es gut, nicht mit einem Menschen zu kommunizieren. In besonders schlechten Fällen könnte ein Mensch auch den Eindruck haben, mit einem anderen Menschen zu sprechen, der nicht fähig ist. Für das Image des Unternehmens ist eine solche Fehlkommunikation sicherlich nicht förderlich.
So vorteilhaft diese Chatbots sein mögen, stellt sich recht deutlich heraus, dass sie den Menschen und dessen Arbeit nicht ersetzten können — zumindest noch nicht. Vielmehr dient die Software als Unterstützung von menschlichen Recruitern. Repetitive und einfache Aufgaben, die bis vor kurzem noch „menschliche“ Arbeitsstunden beansprucht haben, können von Bots problemlos und in der Regel sogar besser übernommen werden.
Auch in der Analyse von Bewerbungen sind die Bots derzeit als Hilfsmittel zu verstehen. Ob Unternehmen einem Bot alleine heute bereits die Entscheidung für DEN richtigen Kandidaten zutrauen sollte ist wohl eher fraglich.
Welche Unternehmen setzen Bots bereits im Recruiting ein?
Erst vor Kurzem haben wir in einem Artikel über den Jobbot der Sixt-Autovermietung berichtet. Dabei handelt es sich um einen typischen Chatbot, der Interessenten individuelle Stellenangebote bei Sixt heraussucht — wie gut das funktioniert, lest ihr hier.
Auch der Queb Mitglied Allianz verwendet einen solchen Chatbot auf der Facebook-Karriereseite. „Allie“ — so der Name des Bots — setzt ausschließlich auf die Kommunikation im Messenger, wird bei der Stellensuche jedoch nicht allzu individuell und fragt lediglich nach räumlichen Präferenzen sowie dem Einstiegslevel. Der Sixt Jobbot hingegen leitet während der Konversation auf einen externen Fragebogen weiter, um darüber das Profil des Interessenten zu ermitteln.
„Ari“, ein Chatbot des Start-ups Textrecruit, funktioniert nicht nur über den Facebook Messenger, sondern auch via WhatsApp. Das Tool basiert auf Watson von IBM und kommuniziert mit Kandidaten, bevor diese nach einer ersten Vorauswahl einen realen Recruiter treffen.
Viele Unternehmen nehmen Chatbots auch bei internen Unternehmensprozessen zur Hilfe. „Mila“ von Overstock.com sammelt beispielsweise Nachrichten von Mitarbeitern, die krankheitsbedingt ausfallen und verändert dementsprechend Zeitpläne. Die Einsatzmöglichkeiten von Bots in Unternehmen sind sehr vielseitig
Ausblick
Immer einen Schritt nach dem Anderen. Bots können menschliche Recruiter noch nicht vollständig ersetzten, sondern nur Teilaufgaben übernehmen. Allerdings bleibt die Entwicklung nicht stehen — künstliche Intelligenz und Machine Learning werden immer besser. Auch wenn es in letzter Instanz womöglich immer einen Menschen geben wird, der die finale Entscheidung trifft, sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich der Tatsache bewusst sein, dass ihre Welt in Zukunft deutlich andere Herausforderungen birgt und stark veränderte Fähigkeiten vom Menschen erfordert als heute noch. Die Entwicklung geht in eine bestimmte Richtung. Chatbots sind das beste Beispiel: Während vor wenigen Jahren noch echte Menschen Nutzeranfragen auf Facebook bearbeitet haben, sitzt heute die Software am anderen Ende der Leitung.
Chatbots sind ein gutes Beispiel für eine zunehmend digitalisierte Welt, der wir uns stellen müssen. Die Augen zu verschließen wird nicht helfen!
Eine Umfrage von JobStairs zeigt, dass die automatisierte Kommunikation ein zentraler Bestandteil des Recruitings 4.0 ist. Menschen und Roboter werden künftig Hand in Hand arbeiten, so die Überzeugung der überwiegenden Mehrheit der Personalentscheider. Grundsätzlich blickt man der Entwicklung bis 2020 positiv entgegen — Bots werden als arbeitserleichterndes Hilfsmittel angesehen.
In einigen Jahren könnte es hingegen schon wieder ganz anders aussehen: Zukunftsforscher glauben, dass zwischen 2050 und 2090 die Singularität erreicht sein könnte: Der Punkt, an dem Maschinen selbstständig in der Lage sein werden, sich ohne menschliche Unterstützung mittels eigener AI rasant weiterzuentwickeln…
Wir fassen zusammen
- Bots sind automatisierte Softwareanwendungen, die Aufgaben des Menschen übernehmen oder diese zumindest erleichtern.
- Bots können verschiedene Dienste erbringen und kommen unter anderem als Sprachassistenten, Webcrawler, Schadsoftware und virtuelle Gesprächspartner zum Einsatz.
- Im Recruiting bearbeiten Chatbots beispielsweise Bewerberanfragen oder helfen bei der Auswertung von Bewerberdaten.
- Die Vorteile der Chatbots: Geschwindigkeit, ständige Verfügbarkeit, Analysefähigkeiten, Big Data Auswertungen, Machine Learning.
- Die Grenze der Chatbots: Mangelnde Menschlichkeit, skriptbasierte Kommunikation, fehlendes Verständnis für komplexe Sachverhalte.
- In naher Zukunft sehen Recruiter Chatbots eher als Hilfsmittel, Singularität: einige Jahre später könnten KI und Mensch jedoch gleich sein.