Agenturen haben als Arbeitgeber nicht immer den besten Ruf. Doch jetzt ist Bewegung im Spiel. Die Employer Branding Agentur YeaHR! aus Düsseldorf ist in Sachen New Work ein Leuchtturm für die Agenturszene und macht vieles richtig.
Hier können Unternehmen sowie Agenturnetzwerke in Sachen Employer Branding gleichermaßen viel lernen – und wollen das offenbar auch, wie uns Andy Herde, einer der Gründer von YeaHR! verraten hat.
Stell dich doch unseren Lesern bitte einmal kurz vor!
Mein Name ist Andreas Herde und zusammen mit meiner Geschäftspartnerin Kristen habe ich vor 7 Jahren YeaHR! gegründet. Ich komme aus dem (digitalen) Marketing, sie aus der HR. Die perfekte Kombination also.
Was genau macht YeaHR! Und seit wann gibt es euch?
Wir sind – wie der Name schon sagt – voll und ganz auf Personalthemen spezialisiert. Zu 70 % sind das die Entwicklung von (internationalen) Employer Brands. Vom Research über die Strategie bis hin zur Kreation und Produktion sowie Recruitingkampagnen. Wir bieten aber auch interne Kommunikation, Change Kommunikation, Enablement/Training und Beratung in diesem Umfeld an. Das machen wir unter anderem für Arvato, die Bundesregierung, Schleich oder CHRIST. Und wir sind mittlerweile 3x als Agentur des Jahres bei den HR Excellence Awards nominiert worden. 2x haben wir gewonnen.
Agenturen haben nicht unbedingt den Ruf die besten Arbeitgeber zu sein. Ist da etwas dran oder handelt es sich um ein Vorurteil?
Da hat sich im Grunde seit den 80er Jahren ein Bild gefestigt, wie es sich jetzt nur schwer wieder loswerden lässt. Auch ich habe noch Anfang der 2000er Freitagabend um 23 Uhr mit einer kalten Pizza für ein überschaubares Gehalt im Agenturumfeld gesessen. Die gute Nachricht: seit ca. 6–12 Monaten passiert da richtig was. Das merken wir nicht nur, weil wir den Agenturmarkt beobachten, sondern weil auch viele Dienstleister auf uns zukommen und Unterstützung im Employer Branding haben möchten – inklusive großer Agenturnetzwerke.
Bei YeaHR! seid ihr der Meinung, zukunftsträchtige „New Work“-Konzepte sollten nicht allein auf mobile Optionen reduziert werden. Was genau meint ihr damit?
Wenn der Job zum Leben passen soll, dann ist die Frage „Wie viele Tage im Office?“ etwas kurz gesprungen. Dann geht es auch um individuelle Benefits, Fortbildungen oder auch ganz andere Themen. Das Thema „kostenloses Wasser und Obstkorb“ ist natürlich längst das Synonym für „Wir machen da doch schon was“ geworden. Aber was sind die neuen Lösungen für Mobilität? Hilft ein ÖPNV-Ticket jemandem, der nur noch 1x die Woche ins Büro kommt? Wie kümmern wir uns als Arbeitgeber nicht nur um Gesundheitsthemen, sondern vor allem auch Mental Health. Wie helfen wir dabei, im Home-Office Work von Life zu trennen? Das sind die weitreichenderen Fragen von New Work.
Warum beschäftigt ihr euch als Agentur überhaupt mit dem Thema „New Work“?
Um Mitarbeitende und Bewerber:innen angesichts des leergefegten Personalmarktes langfristig vom Unternehmen zu überzeugen, bedarf es weit umfassenderer Leistungsangebote. Wir sehen uns hier ganz klar in der Vorbild-Pflicht. Wie heißt es so schön: Der Schuster hat oft die schlechtesten Schuhe. Das können wir uns nicht leisten. Es ist nicht authentisch. Und es ist auch nicht unsere Philosophie. Ein Arbeitsverhältnis ist ein Geben und Nehmen. Wir geben sehr viel. Und auch sehr individuelle Dinge. Dafür bekommen wir Einsatz, Top-Arbeit und viel Wohlfühlatmosphäre zurück. Der Deal passt einfach.
Erfahrenes Personal soll zudem unbedingt im Unternehmen gehalten werden.
Auch deshalb wurde das „New Work“-Angebot zum Juni 2022 nochmals deutlich modifiziert und erweitert: noch progressiver, noch flexibler, noch individueller. Es setzt auf noch mehr Freiheit bei höherer Eigenverantwortung jedes Einzelnen, getreu dem Agenturcredo, dass der Job zum Leben passen muss.
Was tut ihr als Agentur denn in Sachen „New Work“, außer der mobile-Option?
Wir haben alle 40h Verträge auf 36h reduziert. Bei gleichem Gehalt und entsprechender Urlaubsregelung. Die Mitarbeitenden können entscheiden, ob sie das in 4 oder 4,5 Tagen ableisten. Freitagnachmittags ist unser Office auf jeden Fall geschlossen. Die meisten jungen Kolleginnen und Kollegen haben sich übrigens für die 4-Tage Option entschieden. Die Eltern für die 4,5 Tage. Und genau das war der Gedanke dahinter.
Dazu haben wir gerade unser New Work Office in Düsseldorf eröffnet. Ein Ort zum stillen Arbeiten und ein riesengroßer, sozialer Spielplatz. „Anwesenheitspflicht“ ist nur 1x im Monat zum gemeinsamen Teamtag.
Ansonsten können die Mitarbeitenden arbeiten, wo und wie sie wollen.
Außerdem setzt ihr noch auf eine ganze Reihe persönlicher Benefits für eure Mitarbeiter. Kannst du einige Beispiele nennen?
Gesundheitsvorsorge und Fortbildungen sind selbstverständlich. Ebenso Hardware sowie eine ergonomische Ausstattung fürs Home-Office (höhenverstellbarer Schreibtisch, Stuhl, Monitor, etc.). Dazu gibt es mit Lunchit ein Angebot, sich 5 Euro für Lebensmittel am Tag steuerlich erstatten zu lassen. Und natürlich kostenloses Coaching für alle. Das ist aber wirklich nur die Spitze des Eisbergs. Ich könnte weitermachen mit so vielen Dingen. Bis zu 50 Tage Urlaub, ein ConcYeaHRge Service, der auch bei privaten Dingen wie Blumen oder Restaurantreservierungen hilft und, und, und.
Wow, das ist eine ganze Menge. Und lohnt sich der Aufwand?
Uns ist völlig klar, dass das Modell nicht auf ein Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitenden skalierbar ist. So groß wollen wir auch nicht werden! Aber so lange wir in der Lage sind, jedem/r sein/ihr persönliches Paket zu schnüren, werden wir das tun. Und natürlich sehen wir vier ganz wesentliche Effekte:
- Besserer Output durch glückliche Mitarbeitende. Das ist so. Punkt.
- Außerdem bleiben unsere Mitarbeitenden lange.
- Und wir besetzen fast jede Stelle über Empfehlungen. Da lohnt sich das Budget doch eher in einen Trip nach London zu investieren als in eine Stellenanzeige, auf die sich niemand meldet (von Headhuntern fange ich erst gar nicht an).
- Zu guter Letzt: eben, weil wir Employer Branding und New Work mit Haut und Haaren vorleben, haben wir auch gegenüber Kunden eine echte Glaubwürdigkeit. Wie furchtbar wäre der Gedanke, wenn man Employer Branding verkaufen wollte und das eigene kununu Profil würde genau das Gegenteil aussagen.
Das klingt paradiesisch! Gibt es etwas, dass ihr anderen Unternehmen raten würdet, die sich gerade ebenfalls mit der Umsetzung New Work beschäftigen?
Wir bekommen – logischerweise – gerade enorm viele Anfragen von Unternehmen, ihre Employer Brand neu zu erarbeiten. Stichwort Fachkräftemangel. Man stellt dann aber oft fest, dass man zuerst mal den Arbeitgeber überarbeiten müsste. Neue Benefits, neue Formen der Zusammenarbeit, neue Arbeitsmodelle. Vieles, was wir so sehen, ist nicht mehr lange wettbewerbsfähig. Wir werden das als Dienstleister nicht ändern, sondern müssen irgendwie damit umgehen. Nichtsdestotrotz sollte man sich ganz ernsthaft mit den Anforderungen von Kandidatinnen und Kandidaten und Mitarbeitenden beschäftigen. Die haben sich nämlich ganz, ganz krass gewandelt in den letzten 2 Jahren. Und bevor man sich versieht, verlassen einen die guten Kolleginnen und Kollegen und die Recruiting-Pipeline läuft leer. Und das ist dann das Worst Case Szenario.