Man könnte annehmen, dass datengetriebene Personalentscheidungen schon längst Standard in modernen Organisationen sind. Tatsächlich ist „Data-Driven“ anspruchsvoller, als oft vermutet wird. Das liegt unter anderem an der Einzigartigkeit jedes Unternehmens. Viel hängt davon ab, welche Zahlen oder Daten erhoben werden und wie diese definiert sind. Standard-Lösungen sind nicht die Regel.
Wir freuen uns daher an dieser Stelle über das folgende Interview mit Bosch, die in Sachen HR-Analytics tolle Lösungen entwickelt haben.
Denn die Frage ist nicht, ob Daten entlang des Hiring-Funnels generiert werden, sondern wie diese Daten die Talent Acquisition Journey verbessern können.
Stelle dich und dein Team unseren Leser*innen zu Beginn doch bitte einmal kurz vor!
Ich bin Karin Bauder-Zilly und bei der Robert Bosch GmbH seit 2018 im Bereich Talent Acquisition tätig. Seit 2022 leite ich das Personalmarketing Deutschland innerhalb des Bosch People Acquisition Campus. (LinkedIn Profil: https://de.linkedin.com/in/karin-bauder-zilly-b4046916)
Der People Acquisition Campus ist eine funktions- und standortübergreifende Einheit, die das Recruiting, die interne Mitarbeiter*innen Vermittlung und das Personalmarketing verantwortet. Mit der Bündelung unserer Personalprozesse ist es uns gelungen, bereits in kürzester Zeit datenbasierte Entscheidungen zu treffen und so große Effizienzgewinne zu realisieren. Wir haben dazu zwei Experten im Team (Nick Stefan, LinkedIn-Profil: https://www.linkedin.com/in/nick-stefan-6b5351b0/ und Daniel Mustapic, LinkedIn-Profil: https://www.linkedin.com/in/daniel-mustapic/), die das Thema Data Analytics mit viel Innovationskraft und Herzblut vorantreiben.
Was war eure Ausgangslage und wie habt ihr euren datengetriebenen Ansatz in der Talent Acquisition umgesetzt?
Für uns war von Beginn an klar, dass wir unsere Prozesse rund um die Gewinnung von Talenten holistisch aufbauen möchten und betrachten daher Personalmarketing und Recruiting auch nicht getrennt voneinander. Ein großer Vorteil, denn das macht unsere Personalprozesse durchgängig messbar. Alle Datenquellen entlang des Talent Acquisition Funnels integrieren wir in diesen Prozess und entwickeln diesen stetig weiter. Wir konnten etwa letztes Jahr die Wirksamkeit unserer Personalmarketing-Maßnahmen bis zum Klick auf „Bewerben“ messen. Seit diesem Jahr können wir nun die Candidate Journey bis zur abgeschlossenen Bewerbung und darüber hinaus alle weiteren Schritte bis zur Einstellung nachvollziehen.
Bei der Umsetzung haben wir uns weniger auf eine „Gesamtlösung für HR“ konzentriert, sondern legten den Fokus auf kontextspezifische Use-Cases: So konnten wir schnell individualisierte und insbesondere bedarfsorientierte Datenanalysen zur Verfügung stellen. Ein Beispiel dafür ist die Verbesserung der Attraktivität unserer Stellenanzeigen.
Was genau analysiert ihr alles und was passiert anschließend. Wie und wobei hilft euch das?
Je nach Use Case bzw. Zweck der Analyse werden unterschiedliche Messgrößen herangezogen und im Kontext betrachtet. Wir filtern die Daten heraus, die für unseren Rekrutierungsprozess am relevantesten sind. Hier interessieren uns insbesondere die Abweichungen, denn aus ihnen lassen sich Handlungsschlüsse ziehen. Sie zeigen beispielsweise, dass unsere Stellenanzeigen durch eine kleine Anpassung des Wordings häufiger von Bewerbenden angeklickt werden und sich diese dann auch tatsächlich am Ende bewerben. Früher konnten wir nur vermuten, welche Optimierung, welche Auswirkung mit sich bringt. Heute ist es klar ersichtlich, so dass wir die gesamte Journey kontinuierlich verbessern können.
Welche Rolle spielt Automatisierung und KI in eurem datengetriebenen Ansatz?
Unsere cloudbasierte Lösung zum Speichern und Verarbeitung von Daten ermöglicht es uns, Prozessschritte in der Analyse zu automatisieren und KI-Anwendungen als unterstützende Werkzeuge einzusetzen. Ein Thema, das uns immer wieder beschäftigt, ist die Identifikation von schwer zu besetzenden Stellenprofilen. Im Rahmen dieser Identifikation nutzen wir KI-basierte Analysen, um automatisiert Stellen anhand von verschiedenen Kriterien zu bewerten. Darüber hinaus ermitteln wir mithilfe der KI die Attraktivität der Stellenanzeige und können so unterscheiden, ob eine Stelle tatsächlich schwer zu besetzen ist oder ob die Stellenausschreibung Verbesserungspotenziale aufweist und wir optimieren können. Diese KI-basierte Analyse unterstützt uns dabei, fundierte Entscheidungen schneller zu treffen: So müssen wir nicht jede einzelne Ausschreibung prüfen, sondern können unsere Recruiting- und Marketingmaßnahmen gezielt ausrichten.
Auf welche Herausforderungen seid ihr seit Beginn Eurer Überlegungen gestoßen?
Unsere größte Herausforderung war der Aufbau einer zentralen HR-Daten Cloud sowie der Integration aller Datenquellen entlang des Talent Acquisition Funnels unter Sicherstellung des Datenschutzes.
Aber auch die Auflösung der Datensilos und die nahtlose Verknüpfung der Daten erforderte einen hohen Abstimmungs- und Überzeugungsaufwand. Darüber hinaus führte die isolierte Betrachtung von Candidate Touchpoints anfangs zu einer Art Datensammelwut und inkonsistenten Zielen. Um dem entgegenzuwirken, haben wir unsere Kennzahlenlandschaft überarbeitet und deren Zusammenhänge identifiziert.
Welche Erfolge konntet ihr erzielen? Seid ihr zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen?
Jeder Schritt hin zu einer datenbasierten Talent Acquisition stellt für uns einen Erfolg dar. Wir können zunehmend anhand von Vergangenheitsdaten Entscheidungen für die Zukunft ableiten und diese in Form von konkreten Erfolgen messen: Allein im letzten Jahr haben wir 24 % mehr Bewerbungen generiert, die eindeutig auf datengetriebenes Personalmarketing zurückzuführen sind. Dies bestätigt, dass wir den Schritt von einer reinen Datensammelwut hin zu effektiven Maßnahmen erfolgreich gemeistert haben.
Was würdet ihr anderen Unternehmen, die gerade Richtung Data-Driven HR aufbrechen möchten, unbedingt raten?
Insbesondere die kleinen und schnell umsetzbaren Use-Cases konnten unsere Stakeholder überzeugen und damit das Projekt weiter vorantreiben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht nur um das Darstellen von Zahlen in Dashboards geht, sondern viel mehr um das Automatisieren von Analyse-Prozessen und das Integrieren der Datenquellen entlang des Hiring-Funnels. Wirkliche Insights und Maßnahmen können nur dann generiert werden, wenn ein tiefes Verständnis von den zugrundeliegenden Daten vorliegt und diese für Steuerungszwecke im richtigen Kontext betrachtet werden.
Was sind eure nächsten Ziele?
Wir werden zukünftig an weiteren Automatisierungen arbeiten und unsere integrierte Datenbasis weiter ausbauen. Dies ist für uns, insbesondere im Bereich der Predictive Analytics relevant. Hier wollen wir zukünftig für die Planung einer neu zu besetzenden Stelle schon im Vorfeld ermitteln können, mit welcher Vakanzzeit wir rechnen müssen und wie schwer es sein wird diese Stelle zu besetzen.