Im Interview ist Dr. Julia Reichert, Co-Gründerin und CEO von ONUAVA zu Gast. ONUAVA bringt das Thema Fertility & Family Building Benefits aus den USA in die DACH-Region. Julia teilt im Interview ihre persönliche Motivation hinter der Gründung von ONUAVA, einer End-to-End Benefits Plattform, die von Social Freezing bis zur Unterstützung bei Adoptionen und mehr reicht. Ziel ist es, den Kinderwunsch unabhängig von finanziellen Mitteln erfüllbar zu machen.
Im Interview beleuchtet wir die Herausforderungen für Mitarbeitende mit unerfülltem Kinderwunsch. Wir sehen uns außerdem die Rolle der Arbeitgeber an und welche positiven Auswirkungen Fertility & Family Building Benefits auf Diversity, Mitarbeiterzufriedenheit und Retention hat.
Wir wünschen euch viel Spaß und Inspiration beim Interview!
Stell dich bitte kurz vor und beschreibe die Idee hinter ONUAVA!
Ich bin Julia Reichert, Co-Gründerin und CEO von Onuava. Mit Onuava bringen wir Fertility & Family Building Benefits in die DACH-Region.
Fertility & Family Building Benefits kommen ursprünglich aus den USA. Dort ist es üblich, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden bei unerfülltem Kinderwunsch die Kinderwunschbehandlung bezahlen. Insgesamt 47 % aller US-Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten tun dies. Auch das Bezahlen von Social Freezing (das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen) oder die Unterstützung im Rahmen von Adoptionen ist dort üblich. Fertility & Family Building Benefits sind vor einigen Jahren von den USA nach Großbritannien „herübergeschwappt“, wo es inzwischen 17 % der britischen Unternehmen anbieten.
Wir bringen Fertility & Family Building Benefits nun in einer auf die regionalen Gegebenheiten angepassten Version in die DACH-Region.
Was hat dich inspiriert ONUAVA zu gründen?
Ich habe selbst eine Kinderwunschreise hinter mir und habe drei wunderbare Kinder Dank Kinderwunschbehandlung. Der Weg dahin war kein einfacher und wie bei vielen in der Situation gekennzeichnet von emotionalen, zeitlichen und finanziellen Belastungen. Ich war damals als Unternehmensberaterin tätig und habe erlebt, was es heißt, diese Kinderwunschreise mit einem sehr intensiven Job zu verbinden.
Ich hatte bei meiner Kinderwunschreise sehr viel Glück. Ich war gerade erst 30, als ich die Diagnose „Unfruchtbarkeit“ erhielt und ich hatte zudem die finanziellen Mittel und den Zugang zu einer hervorragenden Klinik. Die Motivation für die Gründung von Onuava war ganz klar, dass ich möchte, dass sich jede und jeder seinen Kinderwunsch erfüllen kann. Ich möchte, dass es keine ungewollte Kinderlosigkeit mehr gibt und mit Onuava ein Stück weit zu diesem großen Ziel beitragen. Es soll nicht vom Glück oder vom Geldbeutel abhängen, ob sich jemand diesen Wunsch erfüllen kann.
Ich habe Onuava 2022 zunächst allein gegründet. Es war aber von Anfang an klar, dass ich das Unternehmen irgendwann im Team aufbauen wollte. Anfang 2023 lernte ich Katharina Jung kennen und wir waren sofort auf einer Wellenlänge und bauen das Unternehmen seit Mitte 2023 nunmehr gemeinsam als Gründerinnen-Team auf.
Welche spezifischen Probleme im Arbeitsalltag adressiert ONUAVA und wie trägt eure Lösung dazu bei, diese zu überwinden?
Mit Onuava haben wir eine End-to-End Benefits Plattform rund um die Familiengründung und die Frauengesundheit geschaffen. Im Fokus steht derzeit vor allem das Thema Familiengründung, wobei die Bandbreite der Themen von Social Freezing über natürliche Fruchtbarkeitsoptimierung, zu Kinderwunschbehandlung und Schwangerschaftsbegleitung geht. Wir sind aber gerade auch dabei, ein Angebot rund um das Thema Menopause aufzubauen, um so unser Angebot rund um die Frauengesundheit abzurunden.
Im Arbeitsalltag adressieren wir für Mitarbeitende unserer Kundenunternehmen – wir nennen sie Mitglieder – die Herausforderungen, die sich aus den Belastungen einer Kinderwunschreise ergeben.
Jede sechste Person – das betrifft Frauen und Männer gleichermaßen – ist im Verlauf des Lebens von Unfruchtbarkeit betroffen. Das sind Zahlen, die aus einer im April 2023 veröffentlichten Studie der Weltgesundheitsorganisation stammen. Und wenn der Weg zum Wunschkind erschwert ist, dann ist dies mit unglaublichen Belastungen verbunden:
- Emotionale Belastungen: 90 % der Kinderwunschpatient*innen haben im Verlauf der Kinderwunschreise Anzeichen von Depressionen. In einer Studie gaben sogar 48 % an, dass sie immer oder häufig depressiv sind.
- Zeitliche Belastungen: Dies umfasst sowohl die Recherche-Arbeit (Was soll ich tun? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? etc.), als auch die Arzt- oder Kliniktermine, die nicht selten tagsüber inmitten des Arbeitsalltags fallen.
- Physische Belastungen: Diese betreffen vor allem Frauen während einer Behandlung. Die Hormonbehandlung ist für den Körper belastend und hinzukommen medizinische Eingriffe mit Vollnarkose. Kommt es zu einer Fehlgeburt, so ist dies natürlich nicht nur emotional, sondern auch physisch belastend.
- Finanzielle Belastungen: Die Krankenkassen übernehmen nur einen Teil der Behandlungskosten für Kinderwunschbehandlungen und bei Weitem nicht für alle Personen und Behandlungsmöglichkeiten. Bei vielen bleiben fünfstellige Kosten als Selbstbehalt und das heißt leider auch, dass der Kinderwunsch manchmal am Geldbeutel scheitert.
Bei diesen Belastungen setzen wir mit unserem Benefitsangebot an. Über unsere Plattform können sich alle Mitarbeitenden und ihre Partner*innen zu Themen rund um den Kinderwunsch informieren – medizinisch fundiert und einfach von zu Hause aus ohne große Recherche-Arbeit. Wir haben zu allen Fragen Videos, Blog-Beiträge und auch Checklisten (z. B. Fragelisten für den Besuch in der Klinik, Mikronährstoff-Übersichten etc.). Zudem können sich unsere Mitglieder und ihre Partner*innen kostenlos von unserem Pool an Ärzten, Berater*innen und Coaches beraten lassen. Dabei haben wir etwa Reproduktionsmediziner*innen, Biolog*innen, Psycholog*innen, ausgebildete Kinderwunschberater*innen, Coaches und Ernährungsberater*innen in unserem Team.
Wenn Unternehmen ihre Mitarbeitenden auch finanzielle durch einen Zuschuss zum Selbstbehalt von Kinderwunschbehandlungen unterstützen möchten, dann übernehmen wir ganz effizient und anonym die finanzielle Abwicklung. Schon ein kleiner Zuschuss kann für Mitarbeitende hier einen enormen Unterschied machen und ggf. darüber entscheiden, ob man sich eine weitere Behandlung leisten kann oder nicht.
Wie profitieren Arbeitgeber von ONUAVA?
Die beschriebenen Belastungen betreffen Mitarbeitende nicht nur im Privaten, sondern eben tagtäglich auch bei der Arbeit. Motivation und Produktivität sinken, Krankenstände steigen. Wobei die meisten den wahren Grund für Abwesenheiten vor ihrem Arbeitgeber geheim halten, und 26 % der Frauen kündigen oder reduzieren die Arbeitszeit während einer Kinderwunschbehandlung – wegen fehlender Vereinbarkeit. (Quelle: Studie Fertility Matters at Work UK gemeinsam mit Zurich Insurance UK)
Umgekehrt profitieren Unternehmen davon, wenn sie ihre Mitarbeitenden – Frauen und Männer – in dieser schwierigen Lebensphase unterstützen. Studien aus den USA zeigen, dass Mitarbeitende, die von Fertility & Family Building Benefits profitieren, dankbarer (42 %), mehr loyal gegenüber Arbeitgeber und motivierter (61 %) sind. Sie bleiben länger beim Arbeitgeber (55 %) und kommen mit höherer Wahrscheinlichkeit nach der Elternzeit wieder zum Arbeitgeber zurück (FertilityIQ Workplace Benefits Index 2019/2020 – US-Daten)
Wie genau funktioniert die Zusammenarbeit mit ONUAVA?
Wenn wir Fertility & Family Building Benefits ausrollen, dann gehen da einige Gespräche mit den Personal- und Benefits Verantwortlichen voraus. Manche Unternehmen möchten dies in einen größeren Maßnahmenkatalog – z. B. Ausbau familienfreundlicher Benefits – einbinden.
Wir verbinden den Roll-out immer mit mehreren Einführungs- und Awareness-Webinaren, für die gesamte Mitarbeiterschaft. Aber gerne auch noch mal gesondert für die HR-Abteilung oder gezielt für Führungskräfte. Während der Nutzung bekommen Unternehmen von uns dann Nutzungsberichte in anonymisierter Form und wir holen regelmäßig Feedback von unseren Mitgliedern zu unserem Angebot ein.
Wir bieten immer auch an, mit einem 6-monatigen Piloten zu starten, damit Unternehmen für sich austesten können, wie die Reaktion der Mitarbeitenden und die Nutzung ist.
Kann ONUAVA dabei helfen, eine positive und produktive Unternehmenskultur zu fördern?
Die Einführung eines Benefits allein ändert nie die Unternehmenskultur, aber es kann ein Baustein in einem Katalog von Maßnahmen sein. Klar ist, dass Fertility & Family Building Benefits für Mitarbeitende in der Phase der Familiengründung (und künftig auch in der Menopause) einen enormen Mehrwert haben. Arbeitgeber geben den Themen einen Raum und signalisieren, dass diese „okay“ und nicht tabu sind. Das erfordert eine Kulturänderung, aber unterstützt diese auch gleichzeitig positiv.
Dies wird im Übrigen auch von denjenigen Mitarbeitenden anerkannt, die nicht direkt davon profitieren, aber schätzen, dass ihr Arbeitgeber eine fürsorgliche Rolle einnimmt und Mitarbeitende in schwierigen Lebensphasen unterstützt.
Und es hat natürlich eine enorme Signal-Wirkung für all diejenigen, die nach außen transportieren möchten, dass sie ein familienfreundlicher Arbeitgeber sind. Nichts signalisiert Familienfreundlichkeit so klar und deutlich, wie wenn ich meine Mitarbeitenden schon auf dem Weg zum Wunschkind unterstütze.
Wie sieht es bei den Themen Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz aus? Sind hier positive Auswirkungen eurer Arbeit zu beobachten?
Fertility & Family Building Benefits sind ganz klar auch ein Diversity Benefit.
Unternehmen, die familienfreundlicher werden, werden ganz klar auch attraktiver für Frauen. Frauen kündigen einfach seltener, wenn sie in schwierigen Lebensphasen unterstützt werden und dazu zählen auch der Kinderwunsch und die Menopause. Auch im Recruiting haben Fertility & Family Building Benefits eine Anziehungswirkung, insbesondere für Frauen.
Aber auch über die Frauenförderung hinaus haben Fertility & Family Building Benefits eine positive Wirkung für Diversität im Unternehmen. Nicht-traditionelle Formen der Familiengründung nehmen zu. Immer mehr gleichgeschlechtliche Paare möchten eine Familie gründen und müssen hierfür auf reproduktionsmedizinische zurückgreifen. Eine Studie von Family Equality aus dem Jahr 2019 in den USA hat gezeigt, dass dort 63 % der Menschen aus der LGBTQ+ Community zwischen 18 und 35 Jahren überlegen, eine Familie zu gründen oder die bestehende Familie zu vergrößern. 48 % planten dies konkret. Die Entwicklungen in der DACH-Region sind ähnlich.
Auch die Solomutterschaft, bei der sich eine Frau meist aufgrund des fehlenden Partners, dazu entschließt, den Kinderwunsch allein zu verfolgen, nimmt stetig zu. Gleichgeschlechtliche Paare und Solomütter sind in Deutschland allerdings zu 100 % Selbstzahler, da sie nicht von Krankenkassen unterstützt werden. Auch die Kosten von Adoptionen sind für Paare selbst zu tragen. Zudem besteht ein erhöhter Beratungsaufwand aufgrund einer komplexeren rechtlichen Situation. Sie profitieren also sogar überproportional von finanzieller und Beratungsunterstützung und von der Einführung von Fertility & Family Building Benefits.
Gibt es so etwas wie typische Probleme oder Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit den Unternehmen?
Die Kernherausforderung für uns ist es, das Thema bekannt zu machen, da es in der DACH-Region noch recht neu ist. Wir haben hier schon einige Fortschritte gemacht, aber natürlich hat längst nicht jede/r von Fertility & Family Building Benefits gehört.
Unfruchtbarkeit, Kinderwunschbehandlung und ungewollte Kinderlosigkeit sind Tabu-Themen und da müssen wir Unternehmen und teilweise auch den Betriebsräten in Unternehmen sehr genau erklären, wie wir Mitarbeitende unterstützen. Und das, ohne dass sie sich gegenüber dem Arbeitgeber „outen“ müssen. Genau dafür sind wir da.
Und zuletzt gibt es dann natürlich noch das Vorurteil, dass Fertility Benefits viel Geld kosten. Dem muss nicht so sein. Wir haben bewusst mit unserem Einstiegs-Informations- und Beratungsangebot eine Lösung geschaffen, die pro Mitarbeiter*in wirklich nicht viel kostet. Das kann sich jedes Unternehmen leisten – auch der Mittelstand. Unternehmen müssen nicht gleich finanzielle Zuschüsse bezahlen, sondern können sich auch langsam „herantasten“.
Wie arbeitet ihr mit HR-Abteilungen zusammen, um das Programm auf die spezifischen Bedürfnisse einer Organisation zuzuschneiden?
Unser Angebot ist modular aufgebaut, sodass wir für jedes Unternehmen – vom Start-up, über den Mittelständler bis zum Grußunternehmen – das passende Angebot zusammenstellen können.
Wir unterstützen beispielsweise auch bei der Ausarbeitung einer Fertility Policy. Die regelt, wie Mitarbeitende im Kinderwunsch, während einer Kinderwunschbehandlung oder bei einer Fehlgeburt unterstützt werden. Die Policy ist dann auf die individuelle Situation des Unternehmens zugeschnitten.
Welchen Rat würdest du Unternehmen geben, die noch daran zweifeln, ob Fertility und Family Building Benefits sinnvoll sind?
Tretet mit uns in Kontakt und wir führen euch dann durch unsere Plattform und beantworten jedwede Fragen! 😊 Häufig starten wir auch mit einem „Piloten“, sodass Unternehmen für 6 Monate ausprobieren, wie der Benefit ankommt.
Gerne empfehle ich auch Unternehmen, sich direkt mit denjenigen Unternehmen auszutauschen, die den Benefit bereits eingeführt haben (z. B. Merck).
Welche Pläne habt ihr für die Zukunft von ONUAVA?
Ich bin absolut überzeugt davon, dass sich Fertility & Family Building Benefits in der DACH-Region ähnlich verbreiten werden, wie bereits in den USA und Großbritannien. Es ist unsere Priorität, dies voranzutreiben und unsere Kunden und unsere Mitglieder dabei bestens zu unterstützen.
Daher entwickeln wir unser Produktangebot ständig weiter. Derzeit sind wir, wie schon erwähnt, dabei unser Angebot in Richtung Menopause weiter auszubauen. Aber auch darüber hinaus gibt es viele spannende Pläne.
Vielen Dank für das ausführliche Interview und die spannenden Einblicke. Wir wünschen euch auch weiterhin viel Erfolg bei der Umsetzung eurer Pläne!
Dominik Bernauer ist Berater, Autor, Blogger und Ghostwriter.
Sein Themenspektrum erstreckt sich über diverse Bereiche wie, Employer Branding, HR, New Work, Digitalisierung, Medien, Marketing und Technologie.
Dominik unterstützt Unternehmen und Organisationen dabei, sich in diesen komplexen Feldern zurechtzufinden und ihre Ziele zu erreichen.